Seite - 123 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
Bild der Seite - 123 -
Text der Seite - 123 -
gewissermaßen klingend ineinander, selbst die Hochhäuser, die Schiffe, die
bunten Lichtplakate stören nicht; und diese Harmonie wiederholt sich in
immer anderen Akkorden: anders ist diese Stadt, von den Hügeln gesehen,
und anders vom Meer, aber überall Harmonie, gelöste Vielfalt in immer
wieder völliger Einheit, Natur, die Stadt geworden ist, und eine Stadt, die wie
die Natur wirkt. Und vieldeutig und unerschöpflich, großartig und großmütig,
wie sie einen empfängt, weiß sie einen zu halten; von der Stunde der Einfahrt
an weiß man schon, das Auge wird nicht müde werden und der Sinn nicht satt
an dieser einzigartigen Stadt.
Kürzer, aber vielleicht noch verwirrender ist der Eindruck, wenn man mit
dem Flugzeug ankommt. Da überschaut man zum ersten Male die wirkliche
Anlage der Stadt – wie sie hingebettet ist an den Rand der Berge, die sie
bewachen, wie sie gleichsam sich auflöst in die Landschaft. Man schwingt
über Berge und Berge herab, und plötzlich sieht man die Weite dieser Bucht,
die in ihrer riesigen blauen Schale diese weiße Perle einschließt. Man sieht
die scharfen, wie mit dem Messer gezogenen Diagonalen der Avenidas, die
sie durchschneiden, den blinkenden Strand, nicht breiter wie das Weiße, das
eine goldfarbene Orange umschließt, und dann weit ins Land hinein sich
ergießend die hellen Kiesel der Villen und Häuser, und all dies abgezeichnet
gegen ein doppeltes Blau, den stahlblanken Azur und das Wasser, das ihn
spiegelt. Und dann scheinen die Berge, da das Flugzeug die Kurve nimmt,
plötzlich zu verschwinden, jetzt ist es die Stadt, die mit ihren weißen Häusern
als eine einzige steinerne Wand einen grüßt, und schon sieht man das
schwirrende Band der Autos an den Strandstraßen, die Badenden im Meer,
man spürt das Leben, das einen erwartet, die Farben, die einem
entgegenglühen. Und noch einmal, zweimal, dreimal schwingt sich das
Flugzeug niederer und niederer, daß es beinahe das Dach von São Bento
streift. Und dann knirschen die Räder, man ist auf flachem Boden, auf der
schönsten Erde der Welt.
123
zurück zum
Buch Brasilien - Ein Land der Zukunft"
Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Titel
- Brasilien
- Untertitel
- Ein Land der Zukunft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1941
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 200
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197