Seite - 162 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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Königsthron in São Paulo aus. Er läßt sich die herrlichsten Lagerhäuser
errichten, befiehlt Schiffe aus der Welt heran, er diktiert den Preis des Geldes,
jagt das Land in wilde Spekulationen und lebensgefährliche Krisen und
ersäuft sogar seine eigenen Kinder – Tausende und Tausende Säcke – im
Meer, weil die Welt ihm nicht den vollen Tribut zahlen will.
Einem so mächtigen Herrn und einem zumal, der sooft meine Arbeit
gefördert und mir in ungezählten Stunden die Freuden der Geselligkeit erhöht,
einen respektvollen Besuch abzustatten, hielt ich fĂĽr meine gebotene Pflicht.
Freilich um diesen Herrn und König in seiner Residenz aufzusuchen, muß
man heute schon tiefer ins Land reisen als ehedem. UrsprĂĽnglich, als der
Kaffee von den Portugiesen aus Afrika herübergebracht wurde – Heinrich
Eduard Jacob hat die Sage dieser Weltwanderung in seinem Buche
bezaubernd erzählt – lagen die Pflanzungen noch hart an der Küste. Die Täler
um Santos und manche der herrlichen Parks von Tijuca, unmittelbar neben
Rio de Janeiro, waren durch Jahrhunderte Kaffeeplantagen; von den Feldern
wurden die Säcke auf dem Rücken der Neger geradenwegs zu den Schiffen
gebracht. Aber in Jahrzehnten und Jahrhunderten, nachdem sie Milliarden und
Abermilliarden dieser magischen Bohnen gezeugt und genährt, wurde die
Erde dort allmählich müde, die Körner verloren an Größe, Kraft und Aroma.
Achtzig Jahre, fast genau das patriarchalische Alter der Menschen, währt die
Lebensdauer eines solchen Strauchs auf derselben Scholle. So verlegte man –
an ungenütztem Boden hat Brasilien noch niemals Mangel gehabt – die
Pflanzungen jeweils tiefer und tiefer hinein in das Land, von Santos nach SĂŁo
Paulo, wo die rote, kräftige Erde viermal soviel zeitigte als in Rio, von São
Paulo nach Campinas, weiter und weiter und immer tiefer hinein. Also nun
nach dem Kaffee, dorthin, wo er jetzt seine Heimat hat! Ihm nach von Rio de
Janeiro eine zwölfstündige Nachtfahrt nach São Paulo, von dort wieder drei
nach Campinas, dieser alten Kolonie der Jesuiten, und nun genĂĽgt ein Auto
und man ist mitten im Kaffeeland und endlich auf einer Fazenda.
Fazenda oder hacienda – woher ist einem das Wort so geläufig? Warum
rĂĽhrt es einen so merkwĂĽrdig romantisch an und vertraut, warum weckt es in
einem so vergessene, starke und mitschwingende GefĂĽhle? Ach, man erkennt
es wieder, nichts bleibt innerlich so verhaftet wie die BĂĽcher, die man
leidenschaftlich in seiner Knabenzeit gelesen; wie hatte man diese Fazendas
oder Haciendas Brasiliens und Argentiniens in den Romanen Gerstäckers,
Sealsfields, diese kleinen Gutshäuser mitten in tropischer Wildnis oder auf
den unendlichen Pampas mit der Phantasie der Kindheit sinnlich gesehen,
diese exotischen Fernen, immer umringt von Gefahren und unerhörten
Abenteuern. Wie hatte man als Knabe geträumt, dies einmal zu erleben! Und
nun ist man da; freilich nicht auf feurigem Mustang trabt man heran, sondern
das Automobil steuert einen sacht durch die blumenĂĽberhangene Einfahrt in
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Buch Brasilien - Ein Land der Zukunft"
Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Titel
- Brasilien
- Untertitel
- Ein Land der Zukunft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1941
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 200
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen StraĂźen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf SĂŁo Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug ĂĽber den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197