Seite - 186 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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auffindbare Bomfim hat in Bahia eine eigene Kirche, die etwa anderthalb
Stunden abseits der Stadt mit bezaubernder Aussicht auf einem Hügel liegt
und während einer ganzen Festwoche den Mittelpunkt der verschiedensten
Feierlichkeiten bildet. Rings um den weiten Platz werden die kleinen
Herbergshäuser von den bürgerlichen Familien gemietet; man besucht sich
dort, man plaudert, man speist im Kreise der Freunde, während das geräumige
Viereck inmitten für die vielen Tausenden bestimmt ist, die von der
Abendmesse bis zur Morgenmesse hier unter den weißen, milden Sternen sich
zu diesem frommen Anlaß in heiterster und ungezwungenster Weise
zusammenfinden. Die ganze Front der Kirche strahlt in elektrischem Licht,
und im Schatten unter den Palmen bauen sich unzählige Zelte auf, Speise und
Trank zu bieten, im Gras kauern vor ihren kleinen Ofchen die schwarzen
Bahia-Frauen, um mit ihren tausendfältigen billigen Leckereien das Publikum
zu bewirten, und hinter ihnen schlafen, in weiße Laken gewickelt, inmitten
des Getriebes ihre Kinder. Karusselle schwingen, es wird promeniert, getanzt,
geplaudert, musiziert; von abends bis morgens, von morgens bis abends
drängt das Volk heran, um durch die Messe ebenso wie durch ihre sorglose
Freude dem Stadtheiligen ihre Reverenz zu erweisen. Aber die eigentliche,
die unvergeßliche Zeremonie dieser Woche ist die Kirchenwaschung,
die lavagem do Senhor do Bomfim. Charakteristisch schon für Bahia, wie
dieser nirgendwo anders geübte Brauch entstanden ist. Die Kirche des
Bomfim war ursprünglich eine Negerkirche. Und anscheinend hatte einmal
ein Priester der Gemeinde aufgetragen, es gehöre sich doch, am Tage vor dem
Fest des Heiligen die Kirche gründlich zu reinigen und den Fußboden mit
Wasser zu scheuern. Die schwarzen Christen nahmen den Auftrag gerne an;
welch eine gute Gelegenheit für die ehrlich frommen Gemüter, dem Heiligen
ihre Liebe und Ehrfurcht zu erweisen! Sie wollten sie natürlich besonders gut
fegen und scheuern, jeder war an dem bestimmten Tage zur Stelle, um der
Ehre teilhaftig zu sein, dem guten Vater Bomfim sein Haus schön sauber zu
fegen. Mit diesem durchaus frommen Bemühen begann es. Aber gemäß ihrem
kindlichen, naiven Gemüt verwandelte sich dies Reinemachen der Kirche
(wie jeder religiöse Akt) zum Fest. Sie rieben und fegten um die Wette, als
wollten sie ihre eigenen Sünden abwaschen, Hunderte, Tausende drängten
sich von nah und fern hinzu, immer mehr von Jahr zu Jahr. Und mit einem
Mal war aus dem frommen Brauch ein Volksfest geworden, ein so
stürmisches, ekstatisches, daß die Geistlichkeit Anstoß daran nahm und es
abstellte. Aber der Wille des Volkes nach seinem Fest hat sich das lavagem do
Senhor do Bomfim wieder erzwungen; heute ist es ein Fest der ganzen Stadt
und eines der eindrucksvollsten, die ich zeitlebens gesehen.
Es beginnt mit einem Festzug, der durch die halbe Stadt den fast
zweistündigen Weg nach der Kirche Bomfim zu pilgern hat, denn die ganze
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Buch Brasilien - Ein Land der Zukunft"
Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Titel
- Brasilien
- Untertitel
- Ein Land der Zukunft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1941
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 200
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197