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Digitale
Datenbanken14
achtet.21 Der vermeintlichen Einheit der Information steht in der medialen Praxis
die Vielfalt partikularer Formen von Informationen gegenüber. Hiervon zeugt
die konzeptuelle und technische Entwicklung von Datenbanken im engen und
weiten Sinn. Denn im Kontext verschiedener Softwareanwendungen prozessieren
Computer digitale Daten nicht unterschiedslos als Information im nachrichtentech-
nischen Sinne. Es werden vielmehr Unterschiede eingeführt, um digitale Daten als
Information verwalten und verarbeiten zu können.
Mit der Einsicht in die Vielfalt der digitalen Informationsverarbeitung gilt es,
sich von einem weiteren Diktum technischer Medientheorien zu verabschieden: der
Irrelevanz der Semantik. Zwar mag Shannon Recht damit haben, dass der Aspekt der
Bedeutung bei der Lösung des technischen Problems der Nachrichtenübermittlung
zu vernachlässigen ist (vgl. Shannon 1976 [1948]: 41), aber im Kontext der digitalen
Informationsverwaltung erweist sich die Frage der technischen Handhabung von
Bedeutung geradezu als zentral – auch und gerade weil Computer den Sinn von
Informationen nicht verstehen. Dementsprechend können digitale Datenbanken
als Technologien der nicht-semantischen Verarbeitung von Bedeutung betrachtet
werden.22 Hierauf beruht nicht zuletzt ihre Anschlussfähigkeit an vielfältige Ge-
brauchskontexte. Will man die mediale Eigenlogik von digitalen Datenbanken
freilegen, gilt es die unterschiedlichen Modi der Herstellung »computer-les-
bare[r] Signifikanz« (Becker/Stalder 2009b: 8) in den Blick zu nehmen. Daher
wird im Folgenden keine medienkulturtheoretische Makroperspektive auf Daten-
banken eingenommen, sondern auf unterschiedlichen Ebenen nach den medialen
Mikrologiken der digitalen Datenhaltung gefragt.
Den Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit digitalen Datenbanken
bildet die Beobachtung, dass den vielfältigen, heterogenen und zum Teil gegen-
läufigen Praktiken der Versammlung, Verwaltung, Selektion und Auswertung von
digitalen Informationen in der heutigen Medienkultur ein zentraler Stellenwert zu-
kommt. Um diese medientheoretisch zu beschreiben und zu analysieren, gilt es, wie
Manfred Faßler treffend herausgestellt hat, eine »beobachtende Sprachfähigkeit«
(Faßler 2002: 21) über Datenbanken zu entwickeln, welche es ermöglicht, die viel-
gestaltige Realität digitaler Informationsverarbeitungspraxen sowie das Imaginäre
digitaler Datenbanken zu analysieren. Hierbei besteht die Herausforderung darin,
21 | Gemeint ist die Tradition technischer Medientheorien in Folge Friedrich Kittlers,
die heute unter anderem unter der Bezeichnung Medienarchäologie firmieren. Ein
wichtiger Proponent ist Wolfgang Ernst, der Information im Anschluss an Shannon
als »sub-semantische[n] Effekt der Hardware von Kommunikation« (Ernst 2002:
173) verstanden wissen will.
22 | Siehe hierzu vor allem den Vergleich des nachrichtentechnischen Kommu-
nikationsmodells mit dem Modell des Information Retrieval im Kapitel »Banken,
Basen, Reservoirs« (S. 167ff.) sowie die Unterscheidung verschiedener Modi der
computertechnischen Verarbeitung und Zuschreibung von Bedeutung im dritten Teil
des Kapitels »Techno-Logik« (S. 242ff.).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242