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15Einleitung
dass sich Datenbanken einer Einordnung in etablierte Raster medientheoretischer
Reflexion entziehen. So erscheint die Datenbank auf der einen Seite als Metamedium,
das der bloßen Versammlung vorhandener Informationen dient. Auf der anderen
Seite erweist sich die Datenbank zugleich als Medium, aus dem neue Informationen
geschöpft werden können und das vielfältige Möglichkeiten zur Formbildung er-
öffnet. Insofern drängt sich die Frage auf, wie die Medialität digitaler Datenbanken
zu bestimmen und zu beschreiben ist. Diese Frage ist jedoch bereits auf der Ebene
der medientheoretischen Betrachtung des Computers problematisch.
Als zweckoffen programmierbare Maschine widerstrebt der Computer ein-
fachen Zuschreibungen, wie Georg Christoph Tholen (2002) in Die Zäsur der Medien
argumentiert hat. Durch Programme wird der Computer hingegen auf Zwecke fest-
gelegt, die dessen Gebrauch strukturieren. Im Spannungsfeld von zweckoffener
Programmierbarkeit und zweckhaftem Gebrauch oszillieren Computer daher
unentschieden zwischen Universalmedium und partikularem Medium. Doch
auch auf der Ebene des gebrauchenden Umgangs von spezifischen Computer-
anwendungen eröffnen Computer vielfältige Möglichkeiten. So kann nahezu alles,
was mit Computern getan wird, auf unterschiedliche Weise realisiert werden. Dieser
doppelten Kontingenz Rechnung zu tragen, ohne zugleich die konkreten medialen
Praxen mit Computern aus dem Auge zu verlieren, ist eine der zentralen Schwierig-
keiten der medientheoretischen Beschreibung des Computers.
Die folgende Annäherung an digitale Datenbanken erfolgt aufgrund der
skizzierten Herausforderungen im medientheoretischen Dreischritt vom Medium
über den Computer zur Datenbank. Im ersten Schritt wird im Kapitel »Medium« die
aktuelle Debatte über den Medienbegriff und die eng damit zusammenhängende
Frage der Medialität der Medien rekonstruiert. Als zentrales Problem erweist sich
dabei die relativ geringe (Trenn-)Schärfe des Medienbegriffs, die im medienphi-
losophischen Kontext insbesondere von Matthias Vogel (2001, 2003) und Lambert
Wiesing (2005b) kritisiert wurde. Mit dieser Problemstellung sind zwei Fragen ver-
bunden: Wie können Medien erstens von Nichtmedien unterschieden werden, und
auf Grundlage welcher Kriterien ist es zweitens möglich, einzelne Medien sinnvoll
zu unterscheiden? Beide Fragen entfalten sich an Zuschreibungen der Form »X ist
ein Medium«. Anstelle einer Lösung wird eine teilweise Auflösung des Problems
vorgeschlagen, mit der ein Wechsel der Perspektive auf den Forschungsgegenstand
der Medienwissenschaft einhergeht. Während es durchaus sinnvoll ist, danach zu
fragen, was den Bereich des Medialen von dem des Außermedialen unterscheidet,
greifen alle Unterscheidungsversuche von Einzelmedien zu kurz. Infolgedessen er-
weist es sich stets als problematisch, wenn etwas als Medium charakterisiert wird.
Hierauf weist Dieter Mersch (2008, 2010) im Kontext seiner negativen Medien-
theorie hin.
Es wird daher vorgeschlagen, Medien begrifflich als das Andere des Kom-
munikationsprozesses zu fassen, welches jedoch nicht positiv als Medium X oder
Medium Y identifiziert werden kann. Die Untersuchungsgegenstände der Medien-
wissenschaften sind infolgedessen streng genommen keine Medien, sondern viel-
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242