Seite - 26 - in Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
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So besteht die Gefahr, dass diese Bereiche der Überlappung bzw. wechselseitigen
Bedingung zwischen den Mediensorten selbst wieder als Medien ausgewiesen
werden, wodurch jedoch nichts erklärt würde.7
Infolgedessen ist es sinnvoll, nicht nur zu beobachten, was praktisch alles als
Medium bezeichnet wird, sondern auch theoretisch darüber nachzudenken, was
der Medienbegriff bedeutet und wie dieser gebraucht werden sollte. In der aktuellen
Begriffsdebatte überlagern sich zwei unterschiedliche, mitunter implizit bleibende
Zielsetzungen, die an die Auseinandersetzung mit dem Medienbegriff geknüpft
werden. Auf der einen Seite wird die unbestimmte Offenheit des Medienbegriffs
zum Anlass genommen, nach denjenigen Dingen zu fragen, die begründet als
Medien bezeichnet werden können. Auf der anderen Seite wird der Medienbegriff
von der Medialität der Medien her gedacht und nach der spezifischen Leistung von
Medien gefragt.
Der Versuch, den Gegenstandsbereich des Medialen zu umgrenzen, steht im
Zentrum der Definitionsvorschläge von Matthias Vogel (2001, 2003) und Lambert
Wiesing (2005b). Beide Autoren machen sich dafür stark, ausgehend vom »all-
täglichen Verständnis des Mediums als Kommunikationsmittel« (Wiesing 2005b:
149) danach zu fragen, was Medien sind. Nach Ansicht Wiesings ist es in An-
betracht des inflationären Gebrauchs des Medienbegriffs wichtig, die Reflexion des
Begriffs mit der Frage Was ist kein Medium? (Wiesing 2005b: 149) zu verbinden.
In eine ähnliche Richtung weist die Forderung Vogels, dass ein ernstzunehmender
Begriffsvorschlag eine belastbare Unterscheidung von Medien und Nicht-Medien
ermöglichen muss.8 Für Wiesing ebenso wie für Vogel liegt das zentrale Problem
wie in historischer Hinsicht, lässt sich aber – wie von Sandbothe selbst ja program-
matisch eingeräumt – dadurch eben nicht für ›theoretizistische‹ Fragestellungen
operationalisieren« (Filk et al. 2004: 57).
7 | Ein weiterer Kritikpunkt an dem pragmatischen Medienverständnis ist, dass
es die von Münker und Roesler diagnostizierten Unklarheiten nicht zu beseitigen
vermag, die immer dann auftreten, wenn schlicht von Medien gesprochen wird. In-
folgedessen müsste auf Grundlage des gebrauchstheoretischen Medienverständ-
nisses in Argumentationen tendenziell auf den Begriff Medium verzichtet werden. In
einem ersten Schritt wäre stets genau anzugeben, ob von sinnlichen Wahrnehmungs-
medien, semiotischen Kommunikationsmedien oder technischen Verbreitungs-
medien die Rede ist. Dies erweist sich jedoch auch als problematisch, da sich hieran
die Frage anschließt, was diesen Mediensorten jenseits von Familienähnlichkeiten
gemeinsam ist. Streng genommen kann im Anschluss an das pragmatische Medien-
verständnis stets nur über einzelne Medien gesprochen werden, wie die an Einzel-
medienphilosophien orientierte Struktur des von Sandbothe mitherausgegebenen
Sammelbands Systematische Medienphilosophie zeigt (vgl. Sandbothe/Nagl 2005).
8 | In Medien als Voraussetzungen für Gedanken konstatiert Vogel: »[M]an [muss,
M.B.] von einer Medientheorie erwarten, dass sie einen Vorschlag unterbreitet, wie
man zwischen Medien und anderen Dingen eine belastbare Unterscheidung ziehen
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242