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diesem Modell orientiert. Transparenz und dessen Widerpart, die Opazität, sind
keine absoluten Zustände. Es gibt verschiedene graduelle Abstufungen zwischen
dem Transparenten und dem Opaken, d.h. das völlig Durch- und Undurchsichtige
bilden nur die Extrempole eines breiten Spektrums unterschiedlicher Durch-Sicht-
barkeiten. Somit sind auch Medien denkbar, durch die einerseits zwar ein Anderes
erscheint, die sich andererseits aber auch selbst zeigen. Die berühmte rosarote Brille,
welche frisch Verliebte metaphorisch aufhaben, liefert hierfür ein gutes Beispiel.
Trägt man tatsächlich eine Brille mit rosa eingefärbten Gläsern, dann verschwindet
die Welt nicht. Man ist weiterhin in der Lage, etwas zu sehen, doch die Wahr-
nehmungsdinge erscheinen anders als zuvor, denn in dieser Wahrnehmungswelt ist
alles rosa. Entwirft man die Unsichtbarkeit der Medien am Modell der Transparenz,
dann hat dies zur Konsequenz, dass auch die mediale Unsichtbarkeit ein graduelles
Phänomen ist.
Gibt es Medien, die mehr und weniger durchsichtig sind, dann sind diese besser
oder schlechter geeignet, um als Mittler eines Anderen zu dienen. Besser geeignete
Medien treten diesem Modell zufolge vollständig hinter das zurück, was sie ver-
mitteln, wohingegen schlechter geeignete Medien das Vermittelte aufgrund ihrer
partiellen Undurchsichtigkeit verfälschen. Das Modell der Transparenz weist also in
Richtung einer normativen Medientheorie, die suggeriert, dass Medien einen unver-
fälschten Blick auf die Dinge erlauben, solange sie selbst völlig unsichtbar bleiben.31
Dass das Transparenzmodell derartige normativen Bewertungen nahelegt, zeigt
ein Blick auf die semiologische Sprachtheorie bei Hegel, Humboldt und Saussure.
Wie Ludwig Jäger herausarbeitet, wird der Sprache von diesen Theoretikern eine
Sonderstellung zugeschrieben, weil Sprache das einzig wirklich transparente Me-
dium sei: »Den Mediatisierungsleistungen von Sprache wurde eine transparente
Unmittelbarkeit zugeschrieben, durch die alle anderen medialen (insbesondere
die bildlichen) Systeme überboten werden zu können schienen« (Jäger 2004b:
49). Mit dem Argument, dass Sprache das transparenteste Medium ist, wurde ihr
privilegierter Status im Vergleich zu anderen Medien legitimiert. Vor dem Hinter-
grund der hier angestellten Betrachtungen ist es nebensächlich, warum der Sprache
glich (Alberti 2000 [1540]: 225). Auch Fritz Heider verficht in seinem Text Ding und
Medium die These der Unsichtbarkeit des Medialen am Modell der Transparenz
(vgl. Heider 1926: 133). Für die jüngere medientheoretische Auseinandersetzung
mit dem Transparenzmodell können beispielhaft der von Markus Rautzenberg und
Andreas Wolfsteiner herausgegebene Sammelband Hide and Seek (2010) sowie
Emmanuel Alloas Monografie Das durchscheinende Bild (2011) genannt werden.
31 | Einschränkend sei angemerkt, dass diese Diagnose nur für den Versuch gilt,
die mediale Unsichtbarkeit am Modell der Transparenz zu denken. Setzt man das
Begriffspaar Transparenz und Opazität analytisch auf einer anderen Ebene an, dann
kann dies durchaus medientheoretisch fruchtbar gemacht werden, ohne sogleich
eine normative Medientheorie zu implizieren (vgl. exemplarisch Rautzenberg/Wolf-
steiner 2010).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242