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dem Slogan »the medium is the message« (McLuhan 2003: 19) propagiert.32 Diese
Aufforderung zur Untersuchung von Medien basiert auf der Beobachtung, dass sich
die vermittelten Inhalte im Vergleich zu den vermittelnden Medien stets in den Vor-
dergrund der Aufmerksamkeit drängen. Er schreibt: »For the ›content‹ of a medium
is like the juicy piece of meat carried by the burglar to distract the watchdog of
the mind« (McLuhan 2003: 31). Medien sind in diesem Vergleich die Diebe, auf die
es eigentlich achtzugeben gilt. Menschen verhalten sich typischerweise wie Hunde,
welche sich von den verführerischen Stück Fleisch ablenken lassen, dessen Pendant
die medial vermittelten Inhalte sind. Ebenso wie Wachhunde auf Diebe achten
sollten, gilt es nicht die Inhalte, sondern die Medien zu betrachten. Bei McLuhan ist
diese Blickwendung prinzipiell möglich. Einzig die verführerische Kraft der Inhalte
verhindert dies. Die Unsichtbarkeit der Medien ist keine graduelle Eigenschaft von
mehr oder minder guten Medien; sie ist vielmehr das Resultat der Aufmerksam-
keitsökonomie (vgl. Wirth 2008a: 229). Der Inhalt ist das, worauf typischerweise
die Aufmerksamkeit gerichtet ist, er erscheint im Vordergrund, Medien bleiben
demgegenüber unsichtbar im Hintergrund. Das Modell, an dem McLuhan diese
Unsichtbarkeit denkt, ist in Understanding Media noch weitgehend implizit.33 Erst
in seinen späteren Arbeiten greift McLuhan explizit auf die gestalttheoretische
Unterscheidung von Figur und Grund zurück, um anhand dieser – unter anderem –
das Verhältnis der sichtbaren Inhalte zu dem unsichtbaren Medium zu explizieren.34
Der Figur/Grund-Unterscheidung zufolge bildet das Medium den Grund auf, in
32 | Die Behauptung, dass das Medium die Botschaft sei, ist überaus missver-
ständlich und widersprüchlich. Nach Ansicht von Raymond Gozzi bedient sich
McLuhan in der Formulierung seines wohl berühmtesten Ausspruchs einer in der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgekommenen Trope, der Oxymetapher,
welche sich als eine Mischung aus Oxymoron und Metapher zwischen den Extrem-
polen übertragener Rede und Widersprüchlichkeit bewegt (vgl. Gozzi Jr. 1999: 32f.).
Deshalb wirkt diese erhellend und paradox zugleich (vgl. Gozzi Jr. 1999: 34). So
verhält es sich auch mit der Behauptung, dass das Medium die Botschaft sei.
Aufgrund dessen wurde dem Diktum McLuhans nicht nur Zustimmung, sondern
auch vehemente Ablehnung zuteil. Exemplarisch sei auf die von Umberto Eco in
Für eine semiologische Guerilla formulierte Kritik verwiesen (vgl. 1986: 149f.). Eine
detaillierte Rekonstruktion der Einsprüche Ecos gegen McLuhans Medientheorie
und der Versuch, diese Schritt für Schritt zu widerlegen, hat Gordon (1997: 323ff.;
2003: 553f.) unternommen.
33 | McLuhan hat in einem von Nina Sutton geführten Interview explizit bestätigt,
dass die Figur/Grund-Unterscheidung als Modell der medialen Unsichtbarkeit in
Understanding Media noch implizit war (vgl. McLuhan/Sutton 1975).
34 | Die Figur/Grund-Unterscheidung dient McLuhan als zentrales Modell in seinem
Spätwerk, welches er, wie Lerone Schultz nachgezeichnet hat, nicht nur auf die
Unterscheidung von Inhalt und Medium angewandt hat (vgl. Schulz 2004: 55, Fn
105).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242