Seite - 49 - in Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
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49Medium
Funktionieren von Medien zu fragen. Auf der anderen Seite werden die Probleme
deutlich, wenn hiermit der Anspruch verbunden wird, die Frage Was sind Medien?
zu beantworten.
Die Nützlichkeit eines Definitionsvorschlags bemisst sich Vogel zufolge daran,
»ob sich mit Hilfe der [...] entwickelten Kriterien [...] sicher entscheiden läßt, ob etwas
ein Medium ist, und ob sich die nach diesen Kriterien gewonnenen Medien sinn-
voll ordnen lassen« (Vogel 2001: 333). Aus dieser Forderung resultiert, wie zu zeigen
sein wird, jedoch eine unnötige Verengung des medienwissenschaftlichen Gegen-
standsbereichs, die dazu führt, dass der Medienbegriff nicht mehr zur Beschrei-
bung der beobachtbaren Transformationen in unserer Kultur herangezogen werden
kann, welche jedoch berechtigterweise mit Veränderungen und Verschie bungen im
Bereich des Medialen in Verbindung gebracht werden. Daher wird vorgeschlagen,
Vogels Mediendefinition ebenso wie Wiesings Definitionsvorschlag als Antworten
auf die Frage Wann sind Medien? zu lesen. Problematisch werden diese, wenn mit
ihnen das Ziel verbunden wird, einzelne Medien begrifflich bündig voneinander zu
unterscheiden. Insofern ermöglichen es die Definitionsvorschläge zu entscheiden,
wann sinnvoll von Medien bzw. Medialität gesprochen werden kann, aber nicht was
Medien wesensmäßig sind.
Um Vogels Auseinandersetzung mit dem Medienbegriff nachvollziehen zu
können, ist es notwendig darzulegen, vor welchem Hintergrund er sich der Medien-
frage zuwendet. Start- und Zielpunkt des Vogelschen Projekts ist die Suche nach
einer zeitgemäßen Theorie der Rationalität. In diesem Zusammenhang sieht sich
Vogel mit der Grundthese des linguistic turn konfrontiert, dass das menschliche
Denken stets sprachlich strukturiert sei.47 Sprache ist der sprachkritischen Phi-
losophie des 20. Jahrhunderts zufolge die unhintergehbare Voraussetzung für
Gedanken. Dies zweifelt Vogel an. Seines Erachtens definiert nicht Sprache die
Grenzen unserer Welt, Medien tun es.48 Medien sind, so die programmatisch im
Titel eines 2003 von Vogel publizierten Aufsatzes formulierte These, die »Vorausset-
zungen für Gedanken« (Vogel 2003: 107). Demnach schlägt Vogel die Ausweitung
des linguistic turn hin zu einem medial turn vor, der auf der Überzeugung beruht,
zu sein, der man ist. Das ist das Prinzip – eben das doppelte Selbst – der Autopsie:
Selbst sehen, um zu sehen, wie man selbst ist« (Wiesing 2009: 79f.).
47 | Es war Richard Rorty der den Begriff des linguistic turn 1967 mit der Publikation
des gleichnamigen Sammelbandes in Umlauf gebracht hat. Geprägt wurde der Be-
griff jedoch, wie Rorty selbst herausstellt, in den 1950er Jahren von Gustav Berg-
mann (vgl. Rorty 1992 [1967]: 9, Fn 10). Die Grundthese des linguistic turn ist Rorty
zufolge, »that all philosophical problems are problems which may be solved (or dis-
solved) either by reforming language, or by understanding more about the language
we presently use« (Rorty 1992 [1967]: 3).
48 | Diese Formulierung lehnt an Satz 5.6 in Wittgensteins Tractatus logico-philo-
sophicus an, in dem es heißt: »Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen
meiner Welt.« (Wittgenstein 1984 [1921]: 5.6).
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242