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53Medium
Wie an der Medientypologie deutlich wird, läuft Vogels Definition des Medien-
begriffs darauf hinaus, den Bereich des Medialen auf die verschiedenen Formen
menschlichen Ausdrucks und die unterschiedlichen Verkörperungsformen me-
dialer Konstellationen zu beschränken.55 Für Vogel besteht der Vorteil dieses
Begriffsvorschlags darin, dass auf seiner Grundlage erklärt werden kann, wie rati-
onale Wesen in einem Prozess wechselseitiger Interpretation Tätigkeiten als sinn-
hafte Ausdruckshandlungen verstehen können. Dieser Vorteil erweist sich zugleich
aber auch als Nachteil seiner Mediendefinition, da die Techniken des Verkörperns,
Speicherns, Übertragens und Verarbeitens medialer Konstellationen aus dem
Bereich des Medialen herausfallen und allenfalls als mediale bzw. intermediale
Werkzeuge in den Blick geraten. Dies wird problematisch, wenn es darum geht,
einen Medienbegriff vorzuschlagen, der es erlaubt, die sich aktuell vollziehenden
Veränderungen in unserer kommunikativen Welt als mediale Transformationen
in den Blick zu nehmen.56 In der gegenwärtigen Medienkultur sind nicht nur die
unterschiedlichen Ausdrucksformen von zentraler Bedeutung, sondern auch
die Techniken zur Erzeugung, Verarbeitung und Distribution medialer Kon-
stellationen. Kurzum: Auf Grundlage des Begriffsvorschlags von Vogel können die
vielfältigen Informations- und Kommunikationstechnologien, welche im 19. und
20. Jahrhundert entwickelt wurden, nicht als Veränderungen in der Sphäre des Me-
dialen thematisiert werden. Demzufolge wäre es im Anschluss an Vogel folgerichtig,
wenn man nicht von einem Medienzeitalter, sondern von einem Zeitalter medialer
und intermedialer Werkzeuge sprechen würde. Hierdurch werden die Probleme und
Fragen jedoch nicht gelöst, welche im Laufe des 20. Jahrhunderts zum Verständnis
von Medien als Kommunikationsmittel geführt haben.57 Es wurde und wird pro-
apparate etc. Intermediale Werkzeuge dienen hingegen der Reproduktion und Dis-
tribution medialer Konstellationen. Beispiele hierfür sind z.B. Kopierer, Druckma-
schinen, Rundfunksender (vgl. Vogel 2001: 350f.)
55 | Die Unterscheidung von Medien erster Ordnung und Medien zweiter Ordnung
läuft darauf hinaus, dass der Schrift ein sekundärer Status gegenüber der Sprache
eingeräumt wird. In dieser Hinsicht steht Vogel in der Tradition des von Derrida
kritisierten Phonozentrismus (vgl. Derrida 1983: 25f.). Sybille Krämer setzt sich
im Unterschied zu Vogel für eine Schriftverständnis ein, das diese nicht nur als
sekundäres Medium begreift, sondern in ihrer Eigenlogik ernst nimmt (vgl. Krämer
2003b: 161ff.).
56 | Zu diesen Veränderungen zählt auch die Beschreibung unseres Zeitalters als
Medienzeitalter und unserer Kultur als Medienkultur. Auch wenn Medien als Voraus-
setzungen für Gedanken betrachtet werden und Kulturen demzufolge immer schon
Medienkulturen sind, ist die zeitgenössische Diagnose nicht leichtfertig zu igno-
rieren. Zu fragen ist, warum sich gerade unsere Gesellschaft und unsere Kultur als
Mediengesellschaft und Medienkultur beschreibt.
57 | Zwar ist der Begriff Medium schon seit einigen Jahrhunderten in der deutschen
Sprache gebräuchlich. Das Verständnis von Medien als Kommuni kationsmitteln
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242