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eine ErklÀrung hinauslÀuft, wie Sinn, Gehalt und Bedeutung in der Welt des Sinn-
lichen entstehen kann (vgl. KrÀmer 2008: 25f.).60
KrÀmer favorisiert hingegen den metaphysischen Zugang zu Medien, der im
Unterschied zu dem transzendentalen Zugang nicht in erster Linie danach fragt,
wie Sinn in die Welt kommt.61 Eine Metaphysik der MedialitÀt geht vielmehr von der
Existenz von Sinn aus und fragt nach dem Sinnlichen hinter dem Sinn, wobei die
Einnahme der metaphysischen Perspektive »nolens volens â oder auch: paradoxer-
weise â zu einer âșPhysik der Medienâč fĂŒhrt« (KrĂ€mer 2008: 27). Das metaphysische
Interesse an Medien respektive MedialitÀt richtet sich, wie KrÀmer an anderer Stelle
pointiert herausgestellt hat, auf die »nichtsinnhaften, materialen Bedingung der Ent-
stehung von Sinn, die stummen, prÀ-signifikativen Prozeduren der Signifikation,
die âșNahtstelleâč von Sinn/Nicht-Sinn« (KrĂ€mer 2003a: 89). Obwohl der von ihr
vorgeschlagene metaphysische Zugang eine wertvolle und anschlussfÀhige Frage-
perspektive auf Medien eröffnet, erweist er sich hinsichtlich der Bestimmung des
Medienbegriffs ebenfalls als problematisch. Implizit wird das Wissen vorausgesetzt,
wann es sinnvoll ist, nach MedialitÀt zu fragen. Wenn der Position Vogels eine trans-
zendentale VerkĂŒrzung des Medienbegriffs vorgeworfen werden kann, birgt auch
die metaphysische Frage nach den materiellen Bedingungen der Kommunikation
die Gefahr eines Reduktionismus, wie an medientheoretischen AnsÀtzen deutlich
wird, die Medien ausschlieĂlich als materiell-technische Artefakte bestimmen, die
der Speicherung, Ăbertragung und Verarbeitung von Informationen dienen.62 Die
Ursache hierfĂŒr ist, dass im Ăbergang von der indirekten Bestimmung von Medien
zu einer direkten Mediendefinition unweigerlich eine problematische VerkĂŒrzung
vollzogen wird. Besonders deutlich tritt dies in dem MedienverstÀndnis zu Tage,
welches MedienarchÀologen wie z.B. Friedrich Kittler und Wolfgang Ernst ver-
treten (siehe exemplarisch Kittler 1986; Ernst 2003, 2008b). Sie verstehen Medien
als Technologien, die unabhÀngig von Kategorien wie Sinn, Bedeutung oder Gehalt
operieren und deshalb losgelöst von semantischen Begriffen zu thematisieren sind.
Im Anschluss an die von Claude Shannon strategisch vollzogene Ausklammerung
der Sinndimension aus der Behandlung des Problems der technischen Nach-
60 | FĂŒr KrĂ€mer birgt der transzendentale Zugang zu Medien zudem die Gefahr,
dass Medien der Status eines Apriori zugeschrieben wird. Dies ist nach Ansicht von
KrÀmer und Mersch jedoch zu vermeiden (vgl. KrÀmer 2008: 25; Mersch 2006a:
4f.).
61 | Die transzendentale Frage wie Sinn in der Welt des Sinnlichen entsteht, ist fĂŒr
KrÀmer keine medientheoretische Fragestellung, sondern ein zeichentheoretisches
Problem (vgl. KrÀmer 2008: 34).
62 | Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass KrÀmer dies nicht behauptet,
weshalb diese Kritik nur mittelbar auf ihre Position zutrifft. HĂ€lt man jedoch aus-
schlieĂlich an der metaphysischen Frage nach der Physik der Medien fest, sind
Positionen wie die hier kritisierte naheliegend.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen OberflÀche und Tiefe 73
- PhÀnomeno-Technische Konfigurationen 75
- SpielrÀume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: BegriffsklÀrung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen fĂŒr DatenunabhĂ€ngigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242