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Sprache), Verbreitungsmedien (z.B. Schrift) und symbolisch generalisierte Kom-
munikationsmedien (z.B. Wahrheit) voneinander unterscheidet (vgl. Luhmann
1991: 28ff.). Seit Mitte der 1980er Jahre hat Luhmann dieses funktionale Medien-
verständnis um eine operative Beschreibung von Medien im Rahmen der Medium/
Form-Unterscheidung erweitert (Luhmann 1986), welche fortan eine groĂźe
Bedeutung in Luhmanns Denken einnahm und seit Ende der 1990er Jahre verstärkt
in den Medienwissenschaften diskutiert wird (siehe hierzu exemplarisch Brauns
2002; Khurana 1998; Krämer 1998a, 2003a).71
Als anschlussfähig erwies sich die Medium/Form-Unterscheidung vor allem
deshalb, weil sie die Medienfrage konsequent in der Struktur Inhalt/Medium ver-
ortet.72 Form bezeichnet in diesem Rahmen die Seite der beobachtbaren – weil
beobachteten – Kommunikate, in denen sich Sinn aktualisiert. In dieser Hinsicht
weist Luhmanns Indienstnahme des Formbegriffs eine gewisse Ă„hnlichkeit zum
Begriff der medialen Konstellation auf. Da Form fĂĽr Luhmann im Anschluss an
George Spencer-Browns FormenkalkĂĽl das Resultat einer beobachterrelativen
Operation ist, kann diese nicht als »zeitresistente Struktur« (Krämer 1998a) gedacht
werden.73 Infolgedessen verweist Luhmanns Formbegriff auf den Geltungsaspekt
71 | Es ist darauf hinzuweisen, dass sich Luhmann neben der funktionalen und der
operativen Bestimmung von Medien diesen noch als einem gesellschaftlichen Funk-
tionssystem zuwandte (Luhmann 1996). Der Begriff des Mediums wird hier im Sinne
von Massenmedien gebraucht, die als Funktionssysteme mit Medien im Sinne der
Medium/Form-Unterscheidung operieren. FĂĽr die hier verfolgte Argumentation sind
Luhmanns Ausführungen zu Massenmedien jedoch nebensächlich. Eine systema-
tische Aufarbeitung der unterschiedlichen Medienbegrifflichkeiten bei Luhmann und
ihres Verhältnisses zueinander hat bereits Sven Grampp (2006) geleistet.
72 | Die Struktur Inhalt/Medium ebenso wie die Medium/Form-Unterscheidung
liegen auf einer anderen Ebene als die Unterscheidung von Inhalt und Form.
Während der Inhalt/Form-Dualismus die Veräußerlichung eines präexistenten
geistigen Inhalts betrifft, bildet das Medium den Möglichkeitshorizont, vor dem sich
Inhalte formieren. Hierbei steht nicht die Ăśbersetzung eines geistigen Gehalts in
eine geeignete Form infrage, sondern die mediale Bedingtheit der in, mit und durch
Medien artikulierten Inhalte. Sofern medientheoretisch an der Unterscheidung von
Inhalt und Form festgehalten werden soll, dann nur auf Seiten des Inhalts in der
Struktur Inhalt/Medium. Zur Differenz zwischen den Unterscheidungen von Medium
und Form einerseits und Inhalt und Form andererseits siehe Luhmann (1995: 110f.).
73 | In den Laws of Form hat George Spencer Brown ein FormenkalkĂĽl entwickelt, in
dem der Begriff Form – quer zum alltäglichen Verständnis – nicht Gestalt bedeutet,
sondern das Resultat einer Unterscheidung bezeichnet, die von einem Beobachter
getroffen wird. Verstanden als Unterscheidung bezeichnet der Formbegriff eine drei-
stellige Relation: »›Wir‹ erzeugen eine Existenz, indem wir die Elemente einer drei-
fachen Identität auseinandernehmen. Diese Existenz erlischt, wenn wir sie wieder
zusam menfügen. Jede Kennzeichnung impliziert Dualität, wir können kein Ding pro-
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242