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[...]. Auf der zweiten Stufe müssen sinnhaft verständliche Texte gebildet werden,
die unterschiedliche Lesarten, unterschiedliche Möglichkeiten der Interpretation er-
öffnen.« (Luhmann 1998: 260)
Das Schriftmedium nimmt Anschluss an die Form der Sprache und unterscheidet
sich zugleich von dieser. Daher stehen beide nicht in einem Inklusionsverhältnis
zueinander, sondern überlappen sich auf unbestimmte Weise. Luhmann kann des-
halb nicht umhin, bei Schrift die Gleichzeitigkeit zweier Medium/Form-Unter-
scheidungen zu propagieren, ohne jedoch genau zu erklären, wie diese aneinander
anschließen. Diese Unschärfe ist der Tatsache geschuldet, dass es im Rahmen des
medientheoretischen Vokabulars Luhmanns nicht möglich ist, das gleichzeitige
Nebeneinander und Ineinander verschiedener Weisen der Vermittlung zu be-
schreiben.
An diesem Problempunkt setzt der Begriff der medialen Konfiguration ein,
der Formen respektive medialen Konstellationen nicht ein Medium gegenüber-
stellt, sondern eine mediale Konfiguration, in der sich stets unterschiedliche
Mittelbarkeiten überlagern und wechselseitig bedingen. Das gleichzeitige In- und
Nebeneinander verschiedener Vermittlungsprozesse, auf das der Begriff der me-
dialen Konfiguration reagiert, zeigt sich, wie Uwe Wirth in seiner vergleichenden
Betrachtung von Heiders Medienkonzeption und Charles Sanders Peirce’ Zeichen-
theorie herausgearbeitet hat, bereits auf der Ebene medialer Konstellationen. Seines
Erachtens überlagern sich in Zeichen mindestens zwei Formen der Vermittlung:
»Das Zeichen ist als Vermitteltes die Schnittstelle zweier Formen der Vermittlung.
Genauer gesagt: Das Zeichen ist eine Übergangszone zwischen der Vermittlung im
Sinne Heiders (Vermittlung als Medium) und der Vermittlung im Sinne von Peirce
(Vermittlung als Mediation).« (Wirth 2008a: 231)
Entsprechend der hier vorgeschlagenen Terminologie kann das Wort Zeichen in
dem Zitat durch mediale Konstellation ersetzt werden.81 Denn Zeichen bilden nur
in konkreten Zeichenprozessen eine Schnittstelle zwischen den beiden Vermitt-
81 | Im Zeichenbegriff von Peirce findet Wirth eine erste Form der Vermittlung: »Das
Zeichen vermittelt zwischen einem Objekt und einem interpretierenden Gedanken,
der seinerseits ebenfalls den Charakter eines Zeichens hat. Damit das interpre-
tierende Zeichen als Interpretant fungieren kann, muss es durch ein vermittelndes
Zeichen so determiniert worden sein, dass der Interpretant in ›derselben tria-
dischen Relation auf das Objekt‹ steht wie das vermittelnde Zeichen. Der Inter-
pretant gewinnt seine Erklärungskraft also dadurch, dass seine Beziehung zum
Zeichen analog konfiguriert ist wie die Beziehung zwischen Zeichen und Objekt«
(Wirth 2008a: 229f.). Die Mediation, welche das Zeichen zwischen Objekt und inter-
pretierendem Gedanken leistet, beruht, wie Wirth im Anschluss an Peirce darlegt,
auf einer strukturellen Ähnlichkeit, die in dem von Heider beschriebenen physika-
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242