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Computer 83
Vor dem Hintergrund der doppelten Kritik an der Tiefenorientierung einer-
seits und der Oberflächenorientierung andererseits wird deutlich, dass sich in
der Unterscheidung von Oberfläche und Tiefe zwei konkurrierende Perspektiven
auf die digitalen Medien widerspiegeln, denen gleichsam zwei Forschungsansätze
der Medienwissenschaft entsprechen. Die Oberfläche berührt das, was als die
phänomenale oder semantische Ebene der Kommunikation bezeichnet werden
kann, wohingegen Tiefe auf ihre materiell-technischen Aspekte abzielt. Keine der
beiden Perspektiven allein erweist sich für Luhmann als hinreichend, um die Me-
dialität des Computers zu thematisieren. Vielmehr ist Medientheorie durch den
Computer herausgefordert, beide Seiten in den Blick zu nehmen und die Vermitt-
lungen, Übersetzungen und Übergänge zwischen der phänomenalen Oberfläche
und der technischen Tiefe zu thematisieren. Kurzum: Computeranwendungen sind
als phänomeno-technische Konfigurationen zu beschreiben.21
Im Zwischenraum: Von Befehlen zur Software
Der Vorschlag, die Medialität des Computers im Rahmen der Oberfläche/Tiefe-To-
pologie zu beobachten, unterscheidet sich von Ansätzen, die bei der Beschreibung
des Computers allein die Ebene der Interfaces in den Blick nehmen, ebenso wie
von Positionen, die den Computer primär als technisches Artefakt begreifen und
beschreiben. Da Luhmann in seinen Ausführungen über digitale Medien keine aus-
gearbeitete Medientheorie des Computers vorgelegt hat, gilt es diese Beschreibungs-
und Untersuchungsperspektive im Folgenden zu präzisieren und zu erweitern.
Hierbei wird zu zeigen sein, dass die besondere Leistungsfähigkeit des luhmann-
schen Ansatzes darin besteht, die Frage nach dem Technischen digitaler Medientech-
nologien auf eine andere, neue Weise zu stellen. Wenn bei der Beschreibung der Me-
dialität des Computers Oberfläche und Tiefe gleichermaßen in den Blick genommen
werden müssen, dann ist zu fragen, wie menschliche Formen des Umgangs mit me-
dialen Konstellationen und algorithmische Verarbeitungsroutinen in spezifischen
21 | Demzufolge können Computer, wie von Kittler behauptet, möglicherweise alle
anderen Medien(technologien) integrieren, indem sie diese emulieren oder simulieren,
aber die Differenzen auf der Ebene des Sinn und des Sinnlichen können sie nicht
nivellieren: »Vor dem Ende, geht etwas zu Ende. In der allgemeinen Digitalisierung
von Nachrichten und Kanälen verschwinden die Unterschiede zwischen einzelnen
Medien. [...] In den Computern selber [...] ist alles Zahl: bild-, ton- und wortlose
Quantität. Und wenn die Verkabelung bislang getrennte Datenflüsse alle auf eine
digital standardisierte Zahlenfolge bringt, kann jedes Medium in jedes andere
Medium übergehen. Mit Zahlen ist nichts unmöglich. Modulation, Transformation,
Synchronisation; Verzögerung, Speicherung, Umtastung; Scrambling, Scanning,
Map ping – ein totaler Medienverbund auf Digitalbasis wird den Begriff Medium
selber kas sieren. Statt Techniken an Leute anzuschließen läuft das absolute Wis-
sen als End losschleife« (Kittler 1986: 7f.).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242