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Computer 85
das Gesetz des Sagbaren transformieren (vgl. Foucault 1981: 187f.).24 Was sich im
Umgang mit dem Computer im Modus der maschinennahen Programmierung
im Vergleich etwa zur Programmierung mit höheren Programmiersprachen, zum
Umgang mit GUIs oder dem Gebrauch von Softwareanwendungen Àndert sind
die MöglichkeitsrÀume, die man als Nutzer an der OberflÀche aktualisieren kann,
sowie die Formen der Unsichtbarkeit der unsichtbaren Maschine. Wenn man es sich
zur Aufgabe macht, diese kontingenten MöglichkeitsrÀume zu beschreiben, ist es
nicht hinreichend, danach zu fragen, was prinzipiell mit Computern möglich ist.
Denn bei der Entwicklung und Nutzung von Technologien im Allgemeinen und
von Computerhardware und -software im Besonderen ist das theoretisch Mögliche
allein nicht wichtig.25
Infolgedessen wird vorgeschlagen, Computer nicht in erster Linie auf ihre
Programmierbarkeit hin zu befragen, sondern als immer schon programmierte
Maschinen zu betrachten, die entgegen der These Ernsts nicht adÀquat als eine
»Hochzeit aus Physik und Logik« (Ernst 2008b: 173) begriffen werden können. Ob-
wohl sich Physik und Logik fĂŒr das Funktionieren von Computern als konstitutiv
erweisen, sind in konkreten Computeranwendungen, also Software-Hardware-
Konfigurationen, immer auch politische und ökonomische Motive, praktische
ErwÀgungen und nicht zuletzt ZufÀlle eingeschrieben. Hierauf hat Ted Nelson
hinge wiesen, der im Verweis auf Technologie und das Technische ein rhetorisches
TĂ€uschungsmanöver erkennt: »[D]onât fall for the word âștechnologyâč. It sounds de-
24 | Damit ist keineswegs gesagt, dass die Fokussierung beispielsweise auf die
Hardwareebene nicht auch medientheoretisch relevante Erkenntnisse zu Tage
fördern kann. Dies haben Montfort und Bogost bei ihrer Analyse der ATARI-Spielkon-
solenplattform gezeigt (Montfort/Bogost 2009). Jedoch gibt es keine Erfolgs- oder
Erkenntnisgarantie. Vielmehr muss gezeigt werden, wie die Hardware-Platt form, um
beim Beispiel von Montfort und Bogost zu bleiben, auf der OberflÀche Effekte zeitigt.
Dass dies den beiden Autoren auf eindrucksvolle Weise gelungen ist, beweist aber
nicht die Notwendigkeit, sondern lediglich die Möglichkeit.
25 | Auf diesen Aspekt weist Turkles Analyse unterschiedlicher Computerkulturen
und -stile hin: »Computer fördern unterschiedliche Stile und Kulturen, weil
man sich ihnen auf verschiedene Weise nĂ€hern kann. Die AusfĂŒhrung des ein-
fachsten Programms kann auf vielen Ebenen beschrieben werden â in Bezug auf
elektronische VorgÀnge, Maschinenanweisungen, höhere Sprachbefehle oder durch
ein Struktogramm, das die Funktionsweise des Programms als einen FluĂ durch
ein komplexes Informationssystem beschreibt. Zwischen den Elementen auf diesen
ver schiedenen Beschreibungsebenen besteht keine notwendige Eins-zu-eins-
Bezie hung. [...] Diese IrreduzibilitÀt steht hinter der Vielfalt möglicher Formen von
Beziehung zum Computer. Doch dieser natĂŒrliche Pluralismus auf individueller Ebe-
ne ruft ein SpannungsverhÀltnis zu anderen KrÀften hervor. Technologische und
kultu relle VerÀnderungen bewirken, daà bestimmte Stile der Technologie und der
Techno lo giereprÀsentation andere dominieren« (Turkle 1998: 48).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen OberflÀche und Tiefe 73
- PhÀnomeno-Technische Konfigurationen 75
- SpielrÀume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: BegriffsklÀrung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen fĂŒr DatenunabhĂ€ngigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242