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die Umprogrammierung derselben – transzendiert werden können, ist zu beschrei-
ben, wie bestimmte Anwendungen Oberfläche und Tiefe zueinander in Beziehung
setzen. Das Vermögen zur Kopplung von Oberfläche und Tiefe, von dem Luhmann
spricht, situiert sich zunächst in dem von Software eröffneten Möglichkeitsraum.
In einer zweiten Hinsicht betrifft dieses Können jedoch auch die Kompetenz zur
Selektion bestimmter Rahmen und zum Rahmenwechsel. Die Frage nach dem kom-
petenten Umgang mit Computern betrifft infolgedessen nicht nur die vertikale Ver-
knüpfung von Oberfläche und Tiefe, sondern auch die transversale Produktion und
Selektion verschiedener Kopplungsarten.30
Zusammenfassend ist festzuhalten: Für Luhmann ermöglicht die Vermitt-
lung zwischen unsichtbarer Tiefe und phänomenal zugänglicher Oberfläche »eine
Markierung von Formen, die ein reicheres Unterscheiden und Bezeichnen ermög-
lichen« (Luhmann 1998: 305). Oberfläche, Tiefe und die Vermittlung zwischen
die sen beiden Ebenen bilden eine dreistellige Struktur, in der sich die Medialität
des Computers abzeichnet. Was an der Oberfläche als Form (Text, Bild, Ton etc.)
wahrnehmbar wird, kann in der Tiefe des Computers nach vorgegebenen Regeln,
aber nicht vorhersehbar für den Nutzer, transformiert werden. Hierdurch entsteht
zwi schen den beiden Ebenen eine Zone der Unbestimmtheit, in der sich vielfältige
mediale Praktiken situieren können, die, wie Baecker herausgestellt hat, auf Seiten
der Nutzer zu Überraschung und neuen Informationen führen können (vgl. Bae-
cker 2001: 600).31 Die Herausforderung der medientheoretischen Analyse digitaler
Medientechnologien besteht infolgedessen darin, die Kontingenz der im Rahmen
der medialen Topologie des Computers realisierten Formen der Artikulation,
Verarbei
tung, Distribution, Selektion und Präsentation medialer Konstellationen
zu beschreiben. Zu beobachten ist hierbei, wie Oberfläche und Tiefe im Rahmen
unterschiedlicher Softwareanwendungen aneinander gekoppelt werden, d.h. welche
Effekte die unsichtbar in der Tiefe anlaufenden Prozesse an der Oberfläche be-
wirken und wie ausgehend von unterschiedlichen Benutzeroberflächen mit der
Tiefe interagiert werden kann. Kurzum: Vor dem Hintergrund konkreter medialer
Praktiken mit Software-Hardware-Konfigurationen gilt es die Möglichkeitsräume
30 | Die Betrachtung des Computers im Rahmen der Oberfläche/Tiefe-Topologie
erweist sich als anschlussfähig an das Forschungsfeld der Software Studies, das
sich in der jüngeren Vergangenheit vor allem im angloamerikanischen Raum etabliert
hat (vgl. Fuller 2008).
31 | Im Rahmen der luhmannschen Systemtheorie ist Information als Überraschung
definiert: »Information ist eine überraschende Selektion aus mehreren Möglich-
keiten. Sie kann als Überraschung weder Bestand haben, noch transportiert
werden« (Luhmann 1998: 71). Dieses an Claude Shannons Mathematische Theorie
der Kom muni kation angelehnte Konzept unterscheidet sich maßgeblich von dem
Informationsbegriff, der im Bereich digitaler Datenbanken zentral wird; siehe hierzu
das Kapitel »Banken, Basen, Reservoirs«.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242