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Computer 93
Bericht zum Datenbankmanagement als eine Entwicklung weg von anwendungs-
spezifischen Datenspeichern hin zur gemeinsam genutzten allgemeinen Daten-
bank charakterisiert (vgl. Canning 1972: 1). Die grundlegende Idee ist, dass digitale
Informationen gegenĂĽber den sie verwaltenden und verarbeitenden Anwendungen
autonom werden sollen, sodass es keinen Unterschied macht, mit welchem Pro-
gramm auf die Informationen zugegriffen wird. Mehr als zwei Jahrzehnte später
formulierte Bill Gates in seiner zweiten Information at Your Fingertips-Keynote auf
der Computer Dealer’s Exhibition (COMDEX) eine ähnliche Vision für die Zukunft
der digitalen Medienkultur: »Here we don’t have any more running applications,
whatsoever. Instead of thinking of running applications you just think of the data
and the applications are brought in« (Gates 1994: 30’15’’).39
Bachmans Plädoyer für die Entwicklung von Computeranwendungen, die Daten
und Informationen ins Zentrum setzen, bedeutet nicht, dass die Seite der Hard-
ware oder der Aspekt der programmgesteuerten Verarbeitung marginalisiert wird.
Im Gegenteil, im Computer verschränken sich stets technische Prozesse mit digital
codierten Informationen. Aus diesem Grund wäre es zu kurz gegriffen, im An-
schluss an Bachman allein die Seite der Daten und ihrer Formate zu thematisieren.
Vielmehr lässt sich der vorgeschlagene kopernikanische Perspektivwechsel als Ver-
such verstehen, Daten und Informationen in den Vordergrund zu rĂĽcken und die
Entwicklung neuer Hard- und Software unter dieser Prämisse zu betreiben.40 Von
zentraler Bedeutung ist Bachmans Feststellung, dass die verarbeiteten Daten ebenso
ĂĽber eine Eigenlogik verfĂĽgen, welche sich nicht auf die prozessuale Seite von
Algorithmen und Programmen reduzieren lässt. Dies hat Folgen für die medien-
theoretische Auseinandersetzung mit dem Computer.
39 | Wie bereits in der Einleitung erwähnt, formulierte Gates bereits 1990 in seiner
ersten Information at Your Fingertips-Keynote die Vision, dass Nutzer Informationen
immer und ĂĽberall zur Hand haben. Diese Idee aktualisierte Gates 1994 vor dem
Hintergrund des World Wide Web, welches er im Anschluss an Al Gore als Information
Superhighway versteht. Siehe hierzu auch Gates’ Der Weg nach vorn (1995).
40 | Dieses Umdenken hat laut Bachman eine computertechnische Voraussetzung.
Seines Erachtens wurde es erst infolge der Erfindung persistenter Speichertechno-
logien mit Direktzugriff – gemeint ist die Festplatte – denkbar, Informationssysteme
zu entwickeln, die den mit und in diesen versammelten Informationen eine gewisse
Autonomie gegenĂĽber den technischen Prozessen der Speicherung und des Zugriffs
verleihen: »The availability of direct access storage devices laid the foundation for the
Copernican-like change in viewpoint. The directions of ›in‹ and ›out‹ were reversed.
Where the input notion of the sequential file world meant ›into the computer from
tape,‹ the new input notion became ›into the database.‹ This revolution in thinking
is changing the programmer from a stationary viewer of objects passing before him
in core into a mobile navigator who is able to probe and traverse a database at will«
(Bachman 1973c: 654). Auf die Festplatte als hardwaretechnischer Denkhorizont
digitaler Datenbanken wird im Kapitel »Techno-Logik« eingegangen, S. 206ff.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242