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1987, 1991 [1972]).66 Die Einheit des Texts wird im Hypertext durch die vernetzte
Vielheit von Inhaltsfragmenten aufgelöst, wobei Fragmentierung und multilineare
Verlinkung vielfältige Lektüremöglichkeiten eröffnen. Mit der Überschreitung
von Texten hin zu Textsammlungen sowie der Auflösung von Texten in hyper-
textuelle Textgefüge wird die Unterscheidung von Einem und Vielem zunehmend
brüchig. Dies zeigt sich im World Wide Web (WWW), in dem alle Dokumente
mehr oder weniger stark mit anderen Dokumenten vernetzt sind. In diesem Kon-
text erweist es sich als schwierig zu entscheiden, wo ein Hypertext endet und wo
ein anderer beginnt. Obwohl beispielsweise durch URLs oder Domains Grenzen
zwischen Hypertexten etabliert werden, sind diese stets durchlässig. Jede adressier-
bare Einheit kann im WWW als Teil eines globalen, heterogenen und inkohärenten
Hypertextes begriffen werden. Infolgedessen steht der Begriff gleichermaßen für
partikulare, lokale und relativ kohärente Textgefüge sowie für die Gesamtheit
des globalen Kommunikations- und Informationsnetzwerks. Kurzum: Hypertext
oszilliert theoretisch und praktisch zwischen Einem und Vielem, zwischen Text
und Textsammlung.
Theoretischen Widerhall findet dies in einem Denken, welches sich auf ver-
schiedenen Ebenen und in unterschiedlicher Weise der Vielheit von Texten zu-
wendet. Indem beispielsweise Roland Barthes in S/Z für ein auf Pluralität und Poly-
semie beruhendes Textverständnis plädiert, verabschiedet er sich von der Idee oder
dem Ideal, dass ein Text durch eine in bzw. mit ihm vermittelte Bedeutung Ein-
heit gewinnt. Im Gegenteil verfügt jeder Text über »mehrere Zugänge, von denen
keiner mit Sicherheit zum Hauptzugang gemacht werden könnte« (Barthes 1976:
66 | In Complex information processing: a file structure for the complex, the changing
and the indeterminate hat Nelson 1965 den Begriff des Hypertext eingeführt, wobei
sein Gebrauch des Begriffs zwischen der System- und Textperspektive schwankt:
»Let me introduce the word ›hypertext‹ to mean a body of written or pictorial material
interconnected in such a complex way that it could not conveniently be presented or
represented on paper. It may contain summaries, or maps of its contents and their
interrelations; it may contain annotations, additions and footnotes from scholars
who have examined it. Let me suggest that such an object and system, properly
designed and administered, could have great potential for education, increasing the
student’s range of choices, his sense of freedom, his motivation, and his intellectual
grasp. Such a system could grow indefinitely, gradually including more and more of
the world’s written knowledge. However, its internal file structure would have to be
built to accept growth, change and complex informational arrangements« (Nelson
1965: 96). Noch deutlicher wird dies im 1973 erschienenen Aufsatz A conceptual
framework for man-machine everything, wenn er Hypertext nicht nur eine Form des
verknüpfenden Umgangs mit Texten begreift, sondern auch als eine Weise des
Schreibens von Texten: »hypertext will be easier to write. This is because rather
than deciding among expository and transitional structures, the writer may use them
all« (Nelson 1973: M23).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242