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Datenbank 119
tisieren sie in einer neuen medialen Konfiguration.5 Mit der Technisierung der
Speicherung, Verwaltung und Abfrage von Informationen in Form digitaler Daten-
banken vollzieht sich ein medialer Transformationsprozess, durch den sich die
Struktur, Funktion, Präsentation und Interpretation sowie der Zugang zu Samm-
lungen ändert. Wann dieser Wandel eingesetzt hat, lässt sich nicht ohne Weiteres
datieren, wie M. Lynne Neufeld und Martha Cornog in dem 1986 erschienenen Auf-
satz Database History: From Dinosaurs to Compact Disks betont haben. Den Fokus
auf die Geschichte der technischen Informationsverarbeitung richtend stellen die
Autorinnen fest:
»Unlike the case of Adam and Eve, there seems to be no documentation in the
literature of the very first databases. Since any computer-readable file can be rightly
called a ›database‹, the first databases must have been those decks of punched
cards used by computers in the 1950’s, such as the numeric databases created in
1951 by the U.S. Bureau of the Census. However, a major thrust of the information
industry has been the ›word-oriented‹ – and particularly, bibliographic – databases,
and these originated in the mid 1960’s, as abstracting and indexing (A&I) services
began to convert to computer-driven photocomposition and, as a result, began to
keyboard citations, abstracts, and subject terms onto magnetic tape.« (Neufeld/
Cornog 1986: 183)
Wenn jede computerlesbare Datei, wie Neufeld und Cornog konstatieren, als Daten-
bank begriffen werden kann, dann erweist sich die Suche nach der ersten Datenbank
als unsinnig.6 An dem von den Autorinnen aufgeführten Beispiel des Einsatzes von
Lochkarten bei der Volkszählung 1951 wird zudem deutlich, dass selbst der Fokus
auf Computertechnologien als Voraussetzung für Datenbanken fragwürdig ist.
Lochkarten wurden in den USA bereits bei der Volkszählung 1890 eingesetzt, wobei
die Bevölkerungsdaten nicht von Computern, sondern von Tabelliermaschinen
5 | Im Anschluss an McLuhans Diktum, der Inhalt jedes Mediums sei stets ein
anderes Medium, verweist der von Jay David Bolter und Richard Grusin geprägte
Begriff der Remediation darauf, dass etablierte Medien in die Entwicklung neuer
Medien eingehen und diese bedingen. Die medialen Formen und Formate alter Medien
werden dabei nicht bloß übernommen, sondern in neuen Medien rekonfiguriert.
Jenseits der Rhetorik medienhistorischer Zäsuren ermöglicht das Konzept der Re-
mediation, gleichzeitig Kontinuitäten und Brüche in medialen Transformations pro-
zessen in den Blick zu nehmen (vgl. Bolter/Grusin 1999: 45ff.).
6 | Selbst der Fokus auf Computertechnologien als technologische Basis maschinen-
lesbarer Datenbanken ist fragwürdig, da bereits das von Hermann Hollerith entwi-
ckelte Lochkartensystem als Technologie zur Erzeugung maschinenlesbarer Daten-
banken begriffen und beschrieben werden kann. Vor diesem Hintergrund erweist
sich die implizit von den beiden Autorinnen gemachte Verbindung von Computer-
technologie und maschinenlesbarer Datenbank als problematisch.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242