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Datenbanken132
Meyers Überlegungen zur Datenbank als einem Prinzip schließen an Lev
Manovich an, der mit seiner Beschreibung der Datenbank als symbolischer Form
zum wichtigsten Stichwortgeber der medien- und kulturwissenschaftlichen Aus-
einandersetzung mit Datenbanken avanciert ist.28 Erstmals 1998 veröffentlicht, zog
Manovichs Text eine Reihe von Publikationen nach sich, die sich Datenbanken als
dezidierten Untersuchungs- und Reflexionsgegenstand der Medienwissenschaften
zuwandten. Beispiele hierfür sind, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu
erheben: die im Jahr 2000 von der Medienkünstlerin Victoria Vesna edierte Sonder-
ausgabe der Zeitschrift AI & Society, die sich dem Thema der Database Aesthetics
widmete; die ebenfalls 2000 erschienene Ausgabe 13 des Online-Journals Switch
zu Datenbanken; das 2007 veröffentlichte Schwerpunktheft zu Daten des Züricher
Jahrbuchs für Wissenschaftsgeschichte, in dessen Zentrum die Geschichte digitaler
Datenbanken und die mit ihrem Aufkommen entstehenden Deutungspraktiken
stehen; sowie der 2012 erschienene Sammelband Sortieren, Sammeln, Suchen,
Spielen: Die Datenbank als mediale Praxis (Vesna 2000b; Stalbaum 2000; Gugerli
2007b; Böhme et al. 2012).29
Die gesamte Bandbreite der in diesen Publikationen vorgebrachten Positionen
kann und soll an dieser Stelle nicht rekonstruiert werden. Vielmehr wird das
Hauptaugenmerk auf Manovich gelegt, dessen Hinwendung zu Datenbanken in
der Diagnose eines weitreichenden kulturellen Wandels mündet. In Anlehnung an
Erwins Panofskys Diskussion der Perspektive als symbolischer Form bezeichnet
Manovich Datenbanken als symbolische Form der digitalen Medienkultur, welche
seines Erachtens die Erzählung als dominante Form des kulturellen Ausdrucks
und der Sinnstiftung ablöst.30 Die Datenbank sei im Vergleich zur Erzählung »a
28 | Die Wirkmacht von Manovichs Position zeigt sich zum Beispiel in Ed Folsoms
(2007) Aufsatz Database as Genre: The Epic Transformation of Archives. Folsom
stützt seine Charakterisierung der Datenbank gänzlich auf die Thesen von Mano-
vich. Die in derselben Ausgabe der PMLA veröffentlichen kritischen Repliken von
Jonathan Freedman, N. Katherine Hayles, Jerome McFann, Meredith McGill und
Peter Stallybrass auf den Artikel von Folsom zeigen jedoch auch, dass Manovichs
Ansatz nicht unproblematisch ist.
29 | Zu erwähnen ist auch das Kapitel Database as Discourse in Mark Posters
Monographie The Second Media Age. Unter Rekurs auf die Foucaultsche Diskurs-
analyse beschreibt Poster Datenbanken als Super-Panopticon des digitalen Zeit-
alters: »the super-panopticon, transforming our acts into an extensive discourse of
surveillance, our private behaviors into public announcements, our individual deeds
into collective language« (Poster 1995: 87). Die Hinwendung zu Datenbanken als
medien- und kulturwissenschaftlichem Untersuchungsgegenstand weist zudem eine
große Nähe zu den aktuellen Diskussionen über Suchmaschinen auf; siehe hierzu
exemplarisch Becker/Stalder (2009a) und Röhle (2010).
30 | Manovich verweist auf Panofsky, ohne dessen 1927 veröffentlichten Betrach-
tungen zur Perspektive genau zu diskutieren. Für den Kunsthistoriker Panofsky ist
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242