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Datenbank 133
new way to structure our experience of ourselves and the world« (Manovich 2001:
219). Hinter dieser prägnanten These verbirgt sich ein dichtes Gefüge von zum Teil
konkurrierenden und widersprüchlichen Perspektiven auf und Beschreibungen
von Datenbanken. Wie noch zu sehen sein wird, lässt sich dieses Gefüge zwischen
zwei Polen oder Ebenen verorten, die sich in Manovichs Text unsystematisch und
weitgehend zusammenhangslos überlagern: die Datenbank als Ausdrucksform ei-
nerseits sowie als Grund- und Tiefenstruktur digitaler Medien andererseits.31 In
dieser Überlagerung schreibt sich die Mehrdeutigkeit und suggestive Offenheit
des Datenbankbegriffs in der Bestimmung der Datenbank als symbolischer Form
weiter fort. Eben dies erweist sich jedoch als problematisch, insofern die Vielfalt
und Heterogenität medialer Praktiken mit Datenbanken hinter einer vermeintlich
selbstevidenten Großtheorie verschwindet, welche die Datenbank in einer »easy
binary« (McGann 2007: 1589) der Erzählung gegenüberstellt.32 Doch Großtheo-
die Frage nach der Genauigkeit (und damit Wirklichkeitstreue) unterschiedlicher
perspektivischer Projektionsverfahren irrelevant. Vielmehr interessiert er sich,
Cassirers Begriff der symbolischen Form aufgreifend, für die Perspektive als Stilmo-
ment der Kunst: »Das scheint nun an und für sich eine rein mathematische und
keine künstlerische Angelegenheit zu sein, denn mit Recht darf man sagen, daß
die größere oder geringere Fehlerhaftigkeit, ja selbst die völlige Abwesenheit einer
perspektivischen Konstruktion nichts mit dem künstlerischen Wert zu tun hat (wie
freilich auch umgekehrt die strenge Beobachtung der perspektivischen Gesetze
in keiner Weise die künstlerische ›Freiheit‹ zu gefährden braucht). Allein wenn die
Perspektive kein Wertmoment ist, so ist sie doch ein Stilmoment, ja mehr noch: sie
darf, um Ernst Cassirers glücklich geprägten Terminus auch für die Kunstgeschichte
nutzbar zu machen, als eine jener ›symbolischen Formen‹ bezeichnet werden, durch
die ›ein geistiger Bedeutungsinhalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft
und diesem Zeichen innerlich zugeeignet wird‹« (Panofsky 1998 [1927]: 689).
31 | Manovich thematisiert mit anderen Worten die Oberfläche und Tiefe digitaler
Datenbanken. Im Folgenden wird sich jedoch zeigen, dass beide Beschreibungs-
ebenen bei Manovich nicht systematisch aufeinander bezogen werden. Hierin be-
steht ein zentraler Unterschied zu der im Kapitel »Computer« entwickelten Ana ly-
seperspektive.
32 | Ähnlich wie Manovich betrachtet auch Gugerli digitale Datenbanken als
Symptom und Motor des Wandels unseres Welt- und Selbstverhältnisses. Für Gugerli
sind Datenbanken ein Denkmodell, an dem sich der in der Postmoderne vollzogene
»Wechsel von Systematik, hierarchischer Ordnung und serieller Produktion hin zu
Mehrdeutigkeit, Flexibilität, Patchwork und Bricolage« (Gugerli 2009: 13) abzeichnet.
Seine zentrale These ist, »dass sich die Such- und Deutungs kultur des ausgehenden
20. und beginnenden 21. Jahrhunderts an den Rekombinationsofferten der rech-
ner gestützten Datenbanktechnik orientiert« (Gugerli 2007a: 14). Im Blick hat Gu-
gerli hierbei vor allem das relationale Datenmodell und relationale Datenbank-
ma nagementsysteme.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242