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Digitale
Datenbanken144
database of a few hundred video clips to construct a potentially unlimited number
of dif ferent short films.« (Manovich o.J.)
Am Ausgangspunkt steht Manovich zufolge keine Geschichte, die mit filmischen
Mitteln erzählt werden soll, sondern eine Datenbank von Filmelementen, aus der
durch das Skript eines Computerprogramms eine Vielzahl möglicher Filme erzeugt
werden kann. Eine Auswahl von drei im Soft Cinema Projekt realisierten filmischen
Arbeiten haben Manovich und Kratky 2005 auf DVD veröffentlicht. Die als Texas,
Mission to Earth und Absences betitelten Filme loten auf je unterschiedliche Weise
den Grenzbereich narrativer und nicht-narrativer Filmformen aus.
An dieser Stelle soll Soft Cinema keiner detaillierten Analyse oder Kritik
unterzogen werden. Daher wird auch nicht gefragt, ob und inwieweit die software-
generierten Filme die im vorangegangenen Kapitel erwähnten Kriterien für Erzäh-
lungen erfüllen. Vielmehr sollen am Beispiel von Soft Cinema zwei grundlegende
Beobachtungen zu Manovichs Beschreibung der Datenbank als universeller Tiefen-
struktur digitaler Medien angestellt werden.
Erstens zeigt sich, dass der Verweis auf die Datenbank als Möglichkeits-
bedingung neuer Formen der filmischen Erzählung zu kurz greift. Ebenso wichtig
wie die Sammlung medialer Objekte in einer Datenbank sind die Programm-
routinen, welche die automatische Generierung von Filmen aus der Datenbank
steuern. Durch Software wird der unsichtbare Datenbestand in wahrnehmbare
mediale Konstellationen übersetzt. Bedeutsam sind infolgedessen nicht nur die ge-
sammelten Medienobjekte, sondern auch die Regeln der Vermittlung zwischen der
unsichtbaren Tiefe des Computers und der wahrnehmbaren Oberfläche.49 Welchen
Einfluss die unterschiedlichen Verfahren der programmgesteuerten Vermittlung
zwischen dem unsichtbaren Informationsbestand in der Tiefe und den wahrnehm-
baren medialen Konstellationen an der Bildschirmoberfläche auf die Ästhetik,
Politik und Ethik digitaler Datenbanken haben, wird von Manovich nicht dis-
kutiert. Entscheidend ist für ihn vielmehr das Bild der Datenbank als einer unbe-
dingten Ressource des kreativen Schaffensprozesses. Auf dieser Vorstellung beruht
die Gleichsetzung der Datenbank als Tiefenstruktur mit der Seite des Paradigmas.
An Soft Cinema wird jedoch zweitens deutlich, dass diese Gleichsetzung pro-
blematisch ist. Kennzeichnend für paradigmatische Beziehungen ist ihre unbe-
stimmte und unbedingte Offenheit. Diesbezüglich stellt Saussure fest: »Jedes
49 | Eine andere Form der Übersetzung zwischen der unsichtbaren Tiefe und der
wahrnehmbaren Oberfläche wurde im Kapitel »Computer« am Beispiel von Paleys
TextArc diskutiert, S. 109f. Wie Paul herausstellt, sind gemeinhin nicht nur die in
der Datenbank gespeicherten Informationen unsichtbar, sondern auch die Routinen
ihrer Verarbeitung und Sichtbarmachung: »The digital medium is not by nature visual
but always consists of a ›back end‹ of algorithms and data sets that remain hidden
and a visible ›front end‹ that is experienced by the viewer/user, the latter being
produced by the former« (Paul 2007: 97).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242