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Digitale
Datenbanken146
Ausdrucksform und Tiefenstruktur digitaler Medien führen jedoch zu keiner ein-
heitlichen Konzeption von Datenbanken. Das Wort Datenbank erscheint vielmehr
als Projektionsfläche für Manovichs lose zusammenhängenden Beobachtungen
und Diagnosen zu den sich aktuell vollziehenden medialen Transformationspro-
zessen. Hierbei behandelt er die Datenbank einmal als Gegenmodell zur Erzählung
und einmal als Möglichkeitsbedingung für neue Formen des Erzählens in digitalen
Medien. Einen konkreten Referenten hat Manovichs Begriff der Datenbank in-
folgedessen nicht. Was das Spezifische der Datenbank als symbolischer Form ist
bleibt daher weitgehend unklar.
Ebenso wenig erläutert Manovich, was es seines Erachtens bedeutet, die Daten-
bank als symbolische Form zu betrachten. Sein Verweis auf Panofsky legt nahe, dass
es sich bei der Datenbank in gleicher Weise um eine symbolische Form handelt wie
bei der Zentralperspektive (vgl. Manovich 2001: 219). An der Stelle, wo Panofsky
auf den Begriff der symbolischen Form eingeht, spricht er jedoch explizit nicht von
der Zentralperspektive, sondern bezieht sich auf sämtliche Formen perspektivischer
Projektionsverfahren: »[E]s ist in diesem Sinne für die einzelnen Kunstepochen und
Kunstgebiete wesensbedeutsam, nicht nur ob sie Perspektive haben, sondern auch
welche Perspektive sie haben« (Panofsky 1998 [1927]: 689). Anders als Manovich
nahelegt, beschreibt Panofsky die Perspektive nicht als eine uniforme symbo lische
Form, sondern interessiert sich dafür, wie in der Kunstgeschichte durch unterschied-
liche perspektivische Darstellungsverfahren verschiedene Raumvorstellungen zum
Ausdruck gekommen sind (vgl. Panofsky 1998 [1927]: 689f.).51 Gänzlich unerwähnt
bleibt zudem die Kulturphilosophie Ernst Cassirers, der Panofsky den Begriff der
symbolischen Form entlehnt. Daher wäre es müßig danach zu fragen, ob und
inwiefern die Datenbank als eine jener Energien des Geistes verstanden werden kann,
»durch welche ein geistiger Bedeutungsgehalt an ein konkretes sinnliches Zeichen
geknüpft und diesem Zeichen innerlich zugewandt wird« (Cassirer 1923: 15).52 Es sei
51 | Kennzeichnend hierfür ist die Unterscheidung der antiken Perspektive von der
modernen Perspektive. In beiden drücke sich eine andere Vorstellung der Welt aus:
»So ist also die antike Perspektive der Ausdruck einer bestimmten, von dem der
Moderne grundsätzlich abweichenden Raumanschauung (die freilich, im Gegensatz
zu der z.B. von Spengler vertretenen Auffassung, nichtsdestoweniger durchaus als
Raumanschauung bezeichnet werden muß), und damit einer ebenso bestimmten
und von der der Moderne ebenso abweichenden Weltvorstellung« (Panofsky 1998
[1927]: 698f.).
52 | Wie Birgit Recki hinweist, besteht ein Problem der Philosophie der symbolischen
Formen darin, dass Cassirer selbst nicht genau darlegt, wie symbolische Formen zu
identifizieren sind: Cassirer »gibt nicht das Bildungsprinzip der symbolischen Formen
an – d.h., es gibt keinen Erklärungsansatz dazu, wie es zu einer symbolischen
Form kommt. Daher besteht eine grundsätzliche Unsicherheit im Hinblick auf die
kulturphilosophische Systematik. Und deshalb hat es auch immer wieder Irritationen
und Ad-hoc-Behauptungen über neue symbolische Formen gegeben« (Recki 2004:
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242