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Datenbank 147
nur erwähnt, dass Cassirer weder Sammlungen noch Erzählungen als symbolische
Formen behandelt, sondern Sprache, Mythos und Religion, Wissenschaft, Kunst
sowie Technik.53
Von größerer Bedeutung ist die Frage nach und die Kritik an der Perspektive, die
Manovich gegenüber Datenbanken einnimmt. Sein Interesse gilt nicht der Vielfalt
unterschiedlicher Datenbanktechnologien und medialer Praktiken mit Daten-
banken, sondern der Beschreibung medialer Transformationen auf der Makro-
ebene der Kultur, welche er mit der Datenbank als einer Logik oder einem Prinzip
in Verbindung bringt. Mithin verschwindet die ambivalente Vielgestaltigkeit
unterschiedlicher Formen der Versammlung, Speicherung, Abfrage und Verarbei-
tung digitaler Informationen aus dem Blickfeld der Betrachtung. Symptoma
tisch
hierfür ist, dass Manovich bei seiner Betrachtung der Datenbank als Tiefenstruktur
digitaler Medien den unterschiedlichen Strategien und technischen Verfahren der
Datenhaltung in Computern keine Aufmerksamkeit schenkt. Obwohl er eine neu-
artige Weise der Verkörperung medialer Konstellationen in digitalen Medien kon-
statiert, bleibt die materiale Seite computergestützter Datenbanken unterbelichtet.
Aufgrund dessen vermag er nicht zu beschreiben, wie die Verwaltung und Ver-
arbeitung von Informationssammlungen in der Tiefe des Computers den Umgang
mit Datenbanken an der Oberfläche bedingt.
Im Unterschied zu Manovich wird im Folgenden nicht nach einer Makrologik
digitaler Datenbanken gefragt. Vielmehr soll ausgehend von den im ersten Abschnitt
des Kapitels dargestellten unscharfen Grenzen des Datenbankbegriffs die Pluralität
verschiedener Mikrologiken der Informationsverarbeitung in digitalen Medien
freigelegt werden, ohne die Frage aus dem Blick zu verlieren, wie partikulare Daten-
banktechnologien in spezifischen medialen Praktiken operativ werden. Hierbei
tritt die Heterogenität digitaler Medienkulturen in den Vordergrund, die allzu oft
durch den homogenisierenden Gebrauch von Begriffen wie Computer, Datenbank,
Netzwerk oder Internet verdeckt wird. Bedeutsam ist dies unter anderem auch
deshalb, weil sich auf unterschiedlichen Ebenen in unserer kommunikativen Welt
gegenläufige, oft widersprüchlich erscheinende Entwicklungen abzeichnen, die in
ihrer ambivalenten Gleichzeitigkeit gedacht werden müssen. Als Sammlungen vor-
handener Informationen und als Ressourcen für neue Informationen lassen sich
Datenbanken beispielsweise als Reaktion auf einen Information Overload begreifen
und zugleich als Resultat eines Begehrens von immer mehr Informationen. Unsere
Medienkultur ist folglich geprägt von einem Informationsüberschuss bei gleich-
44). Zu diesen Fehlbehauptungen zählt Recki auch Panofskys Beschreibung der
Perspektive als symbolische Form. Jedoch setzt Recki ähnlich wie Manovich Pers-
pektive und Zentralperspektive gleich (vgl. Recki 2004: 44).
53 | In der auf drei Bände angelegten Philosophie der symbolischen Formen (1923-
1929) diskutiert Cassierer zunächst nur Mythos und Religion, Sprache sowie
Wissenschaft als symbolische Formen. Darüber hinaus betrachtet er auch Kunst,
Technik und Geschichte als symbolische Formen (vgl. Recki 2004: 43).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242