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noch als eine Frage der Zeit erscheinen, bis auch bei Ferngesprächen kein mensch-
licher Vermittler mehr notwendig sein wird, um diese Verbindungen herzustellen,
so sind die weiteren von ihm ersonnenen Einsatzmöglichkeiten von Computern
weitaus spekulativer.7 Der Abbau von Kohle, die Reinigung von Abflussrohren, das
Fliegen von Flugzeugen, aber auch das FĂĽhren internationaler Beziehungen, die
Steuerung nationaler Finanzmärkte, die Entwicklung einer befriedigenden Theorie
der Ökonomie, die Planung von Städten sowie die Erforschung und das Schreiben
von Geschichte können, so Mooers, künftig von Computern erledigt werden (vgl.
Mooers 1946).
Retrospektiv muss Mooers’ Prognose als utopisch erscheinen. Seine Zukunft ist
nicht unsere Gegenwart geworden. Vieles kam anders als erwartet und es zeigte sich,
dass die Steuerung von Volkswirtschaften oder das Schreiben von Geschichte nicht
von Computern vollbracht werden kann.8 Auch das Fliegen von Flugzeugen bedarf
noch immer menschlichen Zutuns, gleichwohl die meisten Flugzeuge heute ohne
den Einsatz elaborierter Computersysteme ebenfalls am Boden bleiben wĂĽrden. Das
Gleiche gilt wohl auch fĂĽr die Ă–konomie. Ein Leben, Arbeiten und Forschen ohne
Computer oder Internet scheint heute kaum mehr vorstellbar.9
Mooers’ Spekulation über die Zukunft der Menschheit ist jedoch nicht deshalb
interessant und instruktiv, weil seine Vorhersagen zutreffend gewesen wären. Im
Gegenteil, in bequemer historischer Distanz vermögen uns seine Prognosen wahr-
scheinlich kaum mehr als ein staunendes und zugleich beschämtes Lächeln zu
7 | Um seine Zukunftsprognose zu plausibilisieren, rekurriert Mooers auf das
bereits technisch Mögliche. Hierin kommt ein typisches Muster technischer Utopien
zum Vorschein. Das technisch Bekannte bildet den Hintergrund, vor dem sich die
Visionen technischen Fortschritts abzeichnen. Deutlich tritt dies beispiels weise
auch in Bill Gates »Information at Your Fingertips«-Vortrag aus dem Jahr 2005
zu Tage, in dem er unter anderem die flächendeckende Durchsetzung von Video-
telefonie prognostiziert, welche als Erweiterung der gebräuchlichen Telefone, wie
z.B. von Telefonzellen, präsentiert wird (vgl. Gates 1994: 30’40’’). Doch anders als
von Gates vorhergesagt, wurden sämtliche Telefonzellen nicht schlicht um diese
Funktion erweitert. Im Gegenteil, mit dem Aufkommen von Mobiltelefonen wurden
Telefonzellen tendenziell obsolet.
8 | Im Rahmen des 1971 initiierten Cybersyn-Projekts beauftragte die chilenische
Regierung Stafford Beer, ein Computersystem zu entwickeln, welches in der Lage
ist, die Wirtschaft Chiles zu lenken. Das Projekt fand 1973 durch den Militärputsch
Pinochets ein jähes Ende (vgl. Pircher 2004: 90).
9 | Die Durchdringung aller Lebensbereiche mit digitalen Kommunikationstechnolo
gien zeigt sich vielleicht am deutlichsten in den publizierten Erfahrungsberichten
ver -
schiedener Autoren und Publizisten, die im Selbstexperiment versucht haben,
auf das Internet, Handy usw. zu verzichten (Röhlig 2008; Rühle 2010; Koch 2010).
In deren Selbstversuchen tritt die Bedeutung dieser Technologien paradigmatisch
zum Vorschein.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242