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which may be unknown to him, is the problem of ›information retrieval‹« (Mooers
1950a: 572).21 Obwohl es Mooers in dieser Definition nicht explizit macht, richtet
sich das Information Retrieval nicht auf das Suchen und Finden von Informationen
im Allgemeinen, sondern behandelt die Frage, wie mithilfe von Technologien das
Auffinden von Informationen ermöglicht werden kann. Die Herausforderungen der
bibliothekarischen Praxis bei der Ordnung und Katalogisierung von Dokumenten
werden beim Information Retrieval in das ingenieurtechnische Problem des
maschinellen Findens von Informationen übersetzt, wie Mooers einige Jahre später
herausstellt: »When we speak of information retrieval [..], we are really thinking
about the use of machines in information retrieval« (Mooers 1960: 229).22
21 | In einem späteren Rückblick auf die Geschichte des Information Retrieval
rekapituliert Mooers, dass er den Begriff des Information Retrieval erstmals in
dem Artikel »The Theory of Digital Handling of Non-Numerical Information and
its Implications to Machine Economics« gebrauchte, den er auf einer Konferenz
der Association for Computing Machinery, die am 29. März 1950 an der Rutgers
University stattfand, präsentierte (vgl. Mooers 1960: 229, Fn 1). Das Manuskript ist
als Zator Technical Bulletin, Nummer 48, von Mooers im Anschluss selbst publiziert
worden (Mooers 1950b).
22 | Greift Mooers’ ursprünglicher Definitionsvorschlag in dieser Hinsicht vielleicht
nur zu kurz, erweist er sich aus einem medien- und techniktheoretischen
Blickwinkel als problematisch, denn Information Retrieval wird als ein dezidiertes
Problemlösungshandeln beschrieben. Zwar trifft zu, dass damals wie heute die Fülle
der potenziell verfügbaren Informationen ein Problem darstellt, doch wurde und
wird Information nicht nur als Last empfunden. Die Entwicklung neuer Techniken
zur Verwaltung von Informationssammlungen wurde häufig auch durch eine
Informationslust motiviert. Bereits Holleriths Erfindung des Lochkartenautomaten
zur Speicherung und statistischen Auswertung von Daten (vgl. Hollerith 1889) und
dessen Einsatz bei der US-amerikanischen Volkszählung 1890 zeugen von einem
gestiegenen Verlangen nach Information: »The invention of the first punched-card
system in the United States in the 1880s grew out of a public demand for more
detailed census statistics« (Heide 2009: 253). Die von Heide als öffentliche Forde-
rung nach statistischen Daten zur Bevölkerungszusammensetzung be schriebene
Informationslust wird begleitet von einem Optimierungs- und Rationalisierungs-
streben, welches in den Vereinigten Staaten von Amerika spätestens 1890 ein-
setzte und kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges auch Deutschland erreichte (vgl.
Krajewski 2002: 167). Für die beschriebene Informationslust lassen sich auch
eine Reihe von Beispielen aus der jüngeren Vergangenheit anführen, wie z.B. das
Human Genome Project, das Google Library Book Search-Projekt sowie der riesige
Datenmengen produzierende Large Hadron Collider am CERN in Genf. Insofern wäre
es zu kurz gegriffen, die Entwicklung von Anwendungen zur computergestützten
Infor mationsverarbeitung nur als Reaktion auf den drohenden Information Over-
load zu verstehen, auch wenn dieser diskursiv oft als Anlass angeführt wird,
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242