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Banken, Basen, Reservoirs 161
Die Apparate, an die Mooers denkt, sind nicht gleichzusetzen mit Computern.
Denn auch wenn er deren Einsatz zum Zweck des Findens und Abrufens von
Informationen in Erwägung zieht, erscheinen Mooers die Ende der 1950er Jahre
verfügbaren Computer noch nicht wirklich dazu geeignet, die Aufgaben des
Information Retrieval effizient zu erfüllen: »As computing machines are now de-
signed, they are not matched for the job of information retrieval [...] and the situation
of using a computing machine for such purposes is comparable to using a bulldozer
to crack peanuts« (Mooers 1960: 230). Gibt man Mooers’ Bedenken über die Leis-
tungsfähigkeit damaliger Computer eine medientheoretische Wendung, dann wird
deutlich, dass der Computer einerseits als eine Technologie begriffen werden kann,
die Apparaturen mit dem reifizierten Informationsbegriff verschränkt, er aber
andererseits als Informationstechnologie selbst unterschiedliche Ausgestaltungen
erfahren kann und für die Anforderungen des Information Retrieval erst angepasst
werden muss. Wer Medien, wie zum Beispiel Wolfgang Ernst, vorrangig auf die
durch sie realisierte Verbindung von »physikalischen Praktiken und logischen
Operationen« (Ernst 2008b: 162) hin befragt und in Computern demzufolge eine
»Hochzeit aus Physik und Logik« (Ernst 2008b: 173) vollzogen sieht, vermag das
von Mooers konstatierte Ungenügen damaliger Computer nicht richtig zu be-
werten: Computertechnologien und die mit ihnen realisierten Anwendungen sind
das Resultat von Gestaltung und Design, welches sich weder auf die Gesetzmäßig-
keiten der mathematischen Logik reduzieren lässt, noch auf einen Informations-
begriff, wie beispielsweise das stochastische Informationsmaß Shannons. Vielmehr
bilden Computer einen gestaltbaren und medienhistorisch wandelbaren Rahmen,
in dem unterschiedliche Formen von Information verarbeitet werden können.
Gerade dann, wenn es um die medientheoretische Analyse von Datenbanken geht,
gilt es dies anzuerkennen. Was es heißt, Informationen technisch zu sammeln, sie
zu ordnen, zugänglich zu machen und zu verarbeiten, zeigt sich nur im Kontext
partikularer Anwendungen. Zwischen dem abstrakten, aber relativ unbestimmten
wie z.B. in Bushs Entwurf der Memex (vgl. Bush 1945: 102). Neben Information
Overload und Information Underload darf auch das »Luxus- und Spielbedürfnis«
(Blumenberg 2009: 75) von Ingenieuren und Erfindern als wichtiger Motor
technischer Entwicklungen nicht vernachlässigt werden. Ein solcher Spieltrieb wird
beispielsweise dann wirksam, wenn es darum geht, neue Anwendungsmöglichkeiten
für Medientechnologien zu ersinnen. Der Entwurf der Memex kann, wie Fairthorne
vorgeschlagen hat, auch in diese Richtung gelesen werden: »Quite properly he
[gemeint ist Vannevar Bush, M.B.] was concerned to get jobs for the machine,
not machines for the job. Fundamental problems were untouched. The Memex
conception, even if it had grown to engineering perfection, would have been useful
only to an individual who could apply his own criteria of relevance to cumulatively
stored micro-copy of world literature, and who, having read and digested all of this
already, had marked it appropriately for retrieval« (Fairthorne 1961a: 132).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242