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folge an Shannons Informationsbegriff anknüpft und diesen auf den Bereich der
bibliothekarischen Informationsverarbeitung anwendet. Im Zentrum des Infor-
mation Retrieval steht für Mooers die Frage der Auswahl, welche seines Erachtens
gleichermaßen den Kern von Shannons Informationstheorie bildet: »Well, the
whole message of information theory turns on the matter of choice, and choice in
comparison to other choices« (Corbitt 1993: 9).
Auch wenn hierdurch ein wichtiger Aspekt von Shannons Informationsbegriff
berührt wird, verschiebt sich in Mooers’ Aneignung die Ebene, auf der die Wahl
stattfindet. Geht es auf der einen Seite um das nachrichtentechnische Problem der
Übertragung von Informationen in einem Kanal und somit um die Selektionen, die
der Äußerung von Nachrichten inhärent sind, widmet sich das Information Retrieval
auf der anderen Seite der Herausforderung, aus einer Zahl von Nachrichten (oder
genauer Dokumenten) diejenigen auszuwählen, die die gesuchten Informationen
enthalten – selbst wenn der Suchende noch eine unspezifische Vorstellung von dem
hat, was er sucht. Insofern erfährt der shannonsche Informationsbegriff durch seine
Anwendung im Information Retrieval eine Transformation. Diese resultiert aus der
Verschiebung des Kontexts, der bedeutsam bleibt, auch wenn sich der Informations-
begriff Shannons in Folge seiner Popularisierung zunehmend verselbstständigt hat
und Information losgelöst von der Theorie als eigenständige Entität erscheint, die
theoretisch beschrieben und praktisch verarbeitet werden kann.
Der Ansatz Shannons basiert auf einem Kommunikationsmodell, vor dessen
Hintergrund er sich dem Problem der nachrichtentechnischen Informations-
übermittlung stellt und es theoretisch löst. Wenn Mooers und mit ihm die Pro-
ponenten des Information Retrieval auf ein generalisiertes, abstraktes und vor allem
reifiziertes Informationskonzept rekurrieren, dann geschieht dies nicht auf der
Grundlage desselben Modells. Das Information Retrieval stützt sich auf ein eigenes
Kommunikationsmodell, welches Mooers wie folgt beschreibt:
»In information retrieval, the addressee or receiver rather than the sender is the
active party. Other differences are that communication is temporal from one epoch
to a later epoch in time, though possibly at the same point in space; communication
is in all cases unidirectional; the sender cannot know the particular message that will
be of later use to the receiver and must send all possible messages; the message
is digitally representable; a ›channel‹ is the physical document left in storage which
contains the message; and there is no channel noise because all messages are
presumed to be completely accessible to the receiver. The technical goal is finding
in minimum time those messages of interest to the receiver, where the receiver has
available a selective device with a finite digital scanning rate. (Mooers 1950a: 572)
Indem Mooers die Kommunikation des Information Retrieval in impliziter Ab-
grenzung zu Shannons Kommunikationsmodell expliziert, rückt er sich abermals
in die Nähe zu dessen Informationstheorie. Dennoch wird in Mooers’ Bearbeitung
von Shannons Modell ein weitreichender konzeptioneller Wandel manifest, da
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242