Seite - 173 - in Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
Bild der Seite - 173 -
Text der Seite - 173 -
Banken, Basen, Reservoirs 173
nung von Dokumenten, welche er auch als »›marking‹ and ›parking‹« (Fairthorne
1961 [1953]: 95) bezeichnet: »[W]hen counting sheep, you must distinguish those
already accounted for from those not. This can be done with a branding iron [...].
Or you can segregate the counted sheep in a fold« (Fairthorne 1961 [1953]: 95).
Geläufiger sind heute die Bezeichnungen »deskriptives Markup« und »formale
Strukturierung«. Beim Markup werden Informationen deskriptive Metainforma-
tionen hinzugefügt, welche als Kennzeichnungen fungieren, die über das Gekenn-
zeichnete informieren. Demgegenüber erschließt sich die Bedeutung von formal
strukturierten Informationen aus dem Platz, der ihnen innerhalb einer Struktur
zugewiesen wurde.
Eine ähnliche Idee der Übersetzung steht auch im Zentrum von Mooers’ Ansatz,
die Probleme des Information Retrieval technisch zu lösen: »To avoid scanning all
messages in entirety, each message is characterized by N independently operating
digital descriptive terms (representing ideas) from a vocabulary V, and a selection is
prescribed by a set of S terms« (Mooers 1950a: 573). Im Unterschied zu Fairthorne
begründet Mooers die Notwendigkeit, Dokumente mit Deskriptoren zu ver-
sehen, mit einem ökonomischen Argument. Das Finden von Informationen werde
effektiver, wenn nicht der Volltext aller verfügbaren Dokumente durchsucht werden
müsse, sondern nur die beschreibenden Terme. Den für die Praxis der computer-
technischen Informationsverarbeitung nicht unerheblichen Effizienzerwägungen
von Mooers gibt Fairthorne hingegen eine informationstheoretische Wendung.38
Ohne die Übersetzung von Semantik in Syntax können Technologien nicht zur
bibliothekarischen Informationsverarbeitung im Allgemeinen und zum Suchen
und Finden von Informationen im Besonderen eingesetzt werden. Dieses Postulat
gilt es medientheoretisch ernst zu nehmen.
Einerseits kommt in Fairthornes Vorschlag die geläufige Überzeugung zum
Ausdruck, dass Computer stets nur auf dem Niveau der Physik operieren und
demzufolge lediglich syntaktische Merkmale von Zeichen interpretieren können.
Andererseits bedeutet dies entgegen der oft vertretenen Meinung keinen Verzicht
auf oder Abschied von Semantik. Im Gegenteil: Semantik kann in Syntax über-
setzt und technisch in nicht-semantischen Routinen verarbeitet werden. Wenn
Kulturtechniken wie von Sybille Krämer vorgeschlagen als Modi des nicht-inter-
pretativen operativen Umgangs mit Zeichen definiert werden und damit die durch
38 | Wenn im Folgenden Fairthornes Position in den Vordergrund gerückt wird, soll
dies nicht implizieren, dass die Effizienzerwägungen von Mooers nebensächlich
sind. Im Gegenteil, derartige Erwägungen sind noch immer von großer Bedeutung.
Heute ist zwar die Volltextsuche relativ unproblematisch, dafür hat das WWW neue
Herausforderungen mit sich gebracht, welche die verfügbaren Informationssysteme
an ihre technologischen Grenzen bringen. Infolgedessen müssen bei der Implemen-
tierung neuer Technologien weiterhin verschiedene Zielstellungen gegeneinander
abgewogen werden. Ein Informationssystem, das alle Aufgaben gleich gut erledigen
kann, ist eine Wunschvorstellung.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242