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Banken, Basen, Reservoirs 175
Festzuhalten bleibt, dass sich der Informationsbegriff vor dem Hintergrund ver-
schiedener Kommunikationsmodelle ausdifferenziert. Bleiben diese Unterschiede
bei Mooers noch implizit, so werden sie in Fairthornes Schriften zum Information
Retrieval deutlich herausgearbeitet. Zugleich zeigt Fairthorne aber auch, dass die
shannonsche Informationstheorie für das Information Retrieval nutzbar gemacht
werden kann, sofern die Übersetzung von semantischer Information in syntaktische
Information vollzogen ist.
Data Banking: Vom Finden in einer Black Box
Dem Speicher als Ort der Sammlung misst Mooers in seinem Modell noch keine
besondere Bedeutung zu, er wird als passiver Container begriffen, dessen reibungs-
loses, d.h. rauschfreies, Funktionieren vorausgesetzt wird.40 An diese Stelle tritt
Ende der 1950er Jahre die Datenbank, als im Rahmen eines vom Office of Naval
Research finanzierten Forschungsprojekts bei der Benson-Lehner Corporation das
Kommunikationsmodell des Information Retrieval zu einem Modell der Daten-
bankkommunikation erweitert wurde (vgl. Worsley et al. 1959). Im Mittelpunkt des
Projekts stand eine prozessorientierte Analyse der Speicherung und Abfrage von
Informationen, die im Abschlussbericht unter dem Oberbegriff data banking zu-
sammengefasst werden: »Data Banking«, heißt es, »is the process of communicating
between many conceivers to many receptors through a store. By providing mecha-
nisms for decision-making the receptor selects resting information« (Worsley et al.
1959: 5f.). Das Hauptinteresse der Forschergruppe liegt wie auch bei Mooers auf
den Informationspotenzialen, die sich auf Seiten des Nutzers im suchenden Zugriff
aktualisieren können (vgl. Abb. 3). Jedoch erweitert sich das Problembewusstsein
in Richtung der Speicherungsprozesse, denn bevor Informationen aus einer Daten-
40 | An der Rolle, die dem Rauschen in den beiden Kommunikationsmodellen
beigemessen wird, zeichnet sich ein zentraler Unterschied zwischen diesen ab.
Obwohl bereits Mooers’ Wahl des Vortragstitels Information Retrieval Viewed as
Temporal Signalling nahe legt, dass der zentrale Unterschied zwischen den beiden
Ansätzen seines Erachtens darin besteht, dass es sich auf der einen Seite um
Signalübertragung im Raum und auf der anderen Seite um Signalübertragung in der
Zeit handelt, greift diese Gegenüberstellung zu kurz. Denn auch in Shannons Modell
ist die Möglichkeit der asynchronen Kommunikation gegeben. Kommunikation über
Zeit bedeutet hier das Aussenden einer bestimmten Nachricht, die verkörpert als
respektive gespeichert in einem Dokument zu einem späteren Zeitpunkt einen
Empfänger erreicht. Das mögliche Rauschen des Kanals ist dabei noch immer
ein Problem. Erstens können unter den Bedingungen der (digital-)technischen
Speicherung von Dokumenten Störungen bei deren Codierung und Dekodierung
auftreten und zweitens ist jedes Dokument aufgrund der ihm eigenen Materialität
anfällig für Zer-Störung. Mooers zieht diese Probleme in seinem Modell nicht in
Betracht; oder genauer: Er setzt ihre Lösung voraus.
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242