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Banken, Basen, Reservoirs 183
kein Bestand, in dem bereits Bekanntes entdeckt werden kann, sondern Basis für
neues Wissen. Aus der Kombination und Rekombination von Informationen können
neue Informationen entstehen, die es erlauben, Terroranschläge vorauszusehen und
vorzubeugen, ökonomische Entwicklungen in Echtzeit nachzuvollziehen, den Aus-
bruch von Krankheitsepidemien zeitnah zu erkennen, Verbrechen zu bekämpfen,
Freunde und Lebenspartner zu finden etc.53 Im Großen und im Kleinen birgt die
findige Kombination und Rekombination vorhandener Informationen die Möglich-
keit, neue Informationen zu erhalten. Insofern können digitale Datenbanken unter
Umständen etwas wissen lassen, was so noch nicht gewusst, was allenfalls latent und
rein virtuell als potentielle Information vorhanden war. Dies ist die Signatur des
Spiels vollständiger Information, welches nach Ansicht von Lyotard charakteristisch
für das postmoderne Wissen ist, welches sich in Datenbanken materialisiert:
»Solange man es mit einem Spiel unvollständiger Information zu tun hat, kommt der
Vorteil dem zu, der über Wissen verfügt und sich einen Zusatz an Information ver-
schaffen kann. […] Aber in Spielen mit vollständiger Information kann die höchste
Performativität per hypothesin nicht im Erwerb einer solchen Ergänzung bestehen.
Sie ergibt sich aus einer neuen Anordnung von Daten, die eben einen ›Spielzug‹ dar-
stellen. Diese neue Anordnung wird meist durch die Verknüpfung von Datenreihen
erreicht, die bis dahin für unabhängig gehalten wurden. Man kann diese Fähigkeit,
zusammen zu artikulieren, was nicht zusammen war, als Phantasie (imagination)
bezeichnen.« (Lyotard 2009 [1979]: 126)
In dem von Lyotard beschriebenen Spiel vollständiger Information geht es nicht
mehr darum, das verfügbare Wissen durch das Hinzufügen neuer Informationen zu
erweitern, sondern aus dem Vorhandenen etwas Neues zu schöpfen. Paradigmatisch
kommt dieses Bestreben beispielsweise im Data Mining zum Vorschein, dessen Ziel
Cios et al. wie folgt beschreiben: »The aim of data mining is to make sense of large
amounts of mostly unsupervised data, in some domain« (Cios 2010: 3). Das Data
Mining, welches auch als »knowledge extraction, information discovery, information
harvesting, data archaeology, and data pattern processing« (Cios 2010: 10) bekannt
sei, macht es sich zur Aufgabe, in einer großen Menge vorhandener aber weithin un-
strukturierter Daten sinnvolle Zusammenhänge zu entdecken. Dabei werden unter
anderem Klassifikations-, Regressions- und Clustering-Verfahren angewendet, um
Muster zu entdecken, die so der Interpretation durch einen Analysten zugänglich
werden.54
53 | Angesprochen ist hier der Aspekt der Knowledge Discovery in Datenbanken.
Hierauf wird im Kapitel »Phänomeno-Logik« (S. 307ff.) näher eingegangen.
54 | Eine besondere Form der Mustererkennung ist die negative Rasterfahndung,
welche Gugerli zufolge Ende der 1970er Jahre beim Bundeskriminalamt angewandt
wurde, um Mitglieder der RAF ausfindig zu machen. Diese Terroristen »zeichneten
fahndungstechnisch durch jene fatale Merkmalslosigkeit aus, die auch das
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242