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Digitale
Datenbanken184
Luhmanns Zettelkasten: Datenbankkommunikation
systemtheoretisch betrachtet
Auf der Idee, nicht nur eigentlich schon Bekanntes, sondern Neues oder zumindest
Überraschendes aus einer Datenbank zu schöpfen, basiert auch Luhmanns system-
theoretische Beschreibung der Kommunikation mit seinem Zettelkasten (vgl.
Luhmann 1981). In Luhmanns Erfahrungsbericht findet sich das derzeit vielleicht
bekannteste Modell der Kommunikation mit einer Informationssammlung. Dies
verdankt sich der Berühmtheit des Zettelkastens sowie seines Betreibers. Für die
hier verfolgte Argumentation sind Luhmanns Ausführungen von Interesse, da er
sich mit der Frage auseinandersetzt, ob man in Bezug auf die Interaktion mit einer
Zettelsammlung überhaupt von Kommunikation sprechen darf.55 Damit adressiert
Luhmann ein Problem, das in den bisher skizzierten Modellierungen der Daten-
bankkommunikation stets außen vor geblieben ist. Mooers diskutiert beispiels-
weise nicht, inwiefern es gerechtfertigt ist, das Information Retrieval als einen
Kommunikationsprozess zu beschreiben. Daher könnte der Einwand erhoben
werden, dass es als Modell unzulänglich ist, um Kommunikation zu beschreiben.
Bei Mooers’ Modell des Information Retrieval handelt es sich hingegen im gleichen
Sinne um ein Kommunikationsmodell wie bei Shannons mathematischer Theorie
der Kommunikation. Beide Ansätze sind ungenügend, um das gesamte Spektrum
kommunikativen Handelns zu beschreiben, da es fokussierte Modellierungen kom-
munikativer Situationen vor dem Hintergrund spezifischer Gebrauchs- und Pro-
blemkontexte sind. Die Bedingungen erfolgreicher Kommunikation, die ihnen
eingeschrieben sind, lassen sich demzufolge als notwendige Voraussetzungen für
das Zustandekommen von bestimmten Formen von Kommunikation begreifen,
stellen aber keine hinreichenden Bedingungen für Kommunikation dar.
Luhmanns Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Interaktion mit einer
Informationssammlung Kommunikation darstellt, wird durch die diskutierten
Modelle noch nicht beantwortet. Voraussetzung für das Zustandekommen von
Kommunikation im Sinne der Systemtheorie, d.h. für die Etablierung eines Kom-
munikationssystems, ist die Einheit der dreifachen Selektion von Information, Mit-
Schreckgespenst der bürgerlichen Kriminalistik, die Figur des Gauners, geprägt
hatte – sie waren nicht nur als Biedermänner und Gattinnen verkleidet, sie fuhren
inzwischen auch Wagen, die als Dubletten gar nicht gesucht werden konnten,
und verfügten über konspirative Wohnungen, deren ostentative Normalität nur
schwerlich zu charakterisieren war. [...] Das BKA konnte also nicht nach einem
bestimmten Eintrag in seinen verschiedenen Dateien suchen, sondern mußte eine
bedeutungsschwere Lücke im Adressraum seiner Dateien orten« (Gugerli 2009: 63).
55 | Der Bericht ist noch in einer weiteren Hinsicht bemerkenswert. Bei Luhmann
findet sich das Modell der Datenbankkommunikation praktisch im Zettelkasten,
dessen Funktionsweise der Autor systemtheoretisch reflektiert.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242