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Banken, Basen, Reservoirs 189
Nach Ansicht Floridis kann der Aspekt des Medialen vernachlässigt werden, wes-
halb es wenig verwunderlich ist, dass er in seinen Texten weder auf die vor allem im
deutschsprachigen Raum virulente medienphilosophische Debatte Bezug nimmt,
noch einen Begriff des Mediums ausarbeitet. Medien stehen für Floridi in einer
Reihe mit Sprachen und Formaten, die gleichermaßen nicht berücksichtigt werden
müssen.65 Das Argument, mit dem er dies zu legitimieren versucht, ist die Indifferenz
von Information gegenüber medialen, formalen und sprachlichen Differenzen, d.h.
dieselbe Information kann in unterschiedlichen Medien auf verschiedene Weise
verkörpert werden. Obwohl stets auf eine materielle Verkörperung angewiesen, ist
Information, so Floridi, losgelöst von dieser zu betrachten (vgl. Floridi 2011: 90f.).
Vor dem Hintergrund dieser Überlegung wird Floridis Prognose verständlich, dass
der Bedeutungszuwachs, den Information in Informationsgesellschaften erfährt, zu
einem Bedeutungsverlust der Physis (Material, Physik) führt (vgl. Floridi 2011: 8).66
Während die Medienunabhängigkeit für Floridi selbstevident erscheint und
deshalb keiner weiteren Erläuterung bedarf, hinterfragt die Medienforschung
diese Annahme, wie in Wiesings phänomenologischer Erörterung des Medien-
begriffs besonders offenkundig wird.67 Als Werkzeuge zur Trennung von Genesis
und Geltung ermöglichen Medien artifizielle Selbigkeit. Die Selbigkeit medialer
Konstellationen ist folglich Effekt von Medien. Welche Unterschiede zwischen me-
dialen Konstellationen einen Unterschied machen und welche nicht lässt sich nicht
losgelöst von ihrer medialen Konfiguration beantworten. Infolgedessen können
die in Medien verkörperten Informationen nicht losgelöst von ihrer medialen Ver-
fasstheit betrachtet werden. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn es, wie Floridi
in der eingangs zitierten Passage behauptet, aus informationstheoretischer Sicht
keinen Unterschied macht, wie schriftsprachlich verfasste Informationen ver-
körpert sind (analog oder digital) bzw. rezipiert werden (auf Papier oder am Bild-
schirm).68 Es mag sich hierbei um dieselben Informationen handeln, aber dass es
65 | Über den Medienbegriff Floridis lässt sich nur spekulieren, doch die Gegen-
überstellung von Medien, Sprachen und Formaten legt die Vermutung nahe, dass er
Medien als Träger von Information begreift.
66 | Floridi folgt dem Paradigma der Kommunikationsforschung, die, wie Schüttpelz
in ›Get the Message Through‹ (2002b) dargelegt hat, die Gemeinsamkeiten der
Kommunikation jenseits aller medialen Unterschiede in den Vordergrund rückt.
Demgegenüber treten Medien als genuiner Untersuchungsgegenstand in den
Vordergrund, wenn man den Blick von der »Isomorphie und Kongruenz aller Kom-
munikation und Kommunikationstechniken« (Schüttpelz 2002b: 64) ab- und den
Unterschieden zwischen diesen zuwendet.
67 | An dieser Stelle soll Wiesings Medienbegriff nicht erneut dargelegt werden.
Vielmehr sei auf die ausführliche Diskussion von dessen Position im Kapitel
»Medium« (S. 44ff.) verwiesen.
68 | Es gilt anzumerken, dass diese These nicht nur medientheoretisch problematisch
ist, sondern auch in den Debatten zur Informationsphilosophie umstritten ist.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242