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Banken, Basen, Reservoirs 199
Informationen begriffen, sondern als Sammlungen quantitativer ökonomischer
Daten, die mithilfe des Computers verwaltet und verarbeitet werden können.
Daten als Inhalt computertechnischer Operationen
Eine weitere in der digitalen Medienkultur wichtige Bedeutungsnuance des Daten-
begriffs kommt in der Unterscheidung zwischen Daten und Programmen (Algo-
rith men, Quellcode, etc.) zum Ausdruck. Die Gegenüberstellung von Daten einer-
seits und Befehlen andererseits stützt sich auf den in der Mathematik virulenten
Gebrauch des Begriffs. Daten werden hier als die zur Lösung einer Aufgabe vor-
gegebenen Größen begriffen. Die Unterscheidung zwischen faktischen und fiktiven
Daten, die dem Verständnis von Daten als (numerischen) Informationen über
Realität zugrunde liegt, ist hierbei irrelevant. Daten sind vielmehr die Ausgangs-
zustände, die gemäß vorgegebener Regeln manipuliert werden, sowie das Ergebnis
dieser Manipulation.
Strukturell ist diese Konzeption von Daten im Entwurf der Turingmaschine
angelegt. Indem Turing die Regeln der Manipulation von Symbolen als Maschine
bezeichnet und diese vom Band unterscheidet, welches die Maschine »versorgt«
(Turing 1987 [1937]: 20), führt er die Differenz zwischen Programm und Daten ein.
Die auf dem Band gespeicherten Symbole sind Gegenstand der Operationen der
Maschine, sie sind das, was gemäß den Regeln der Turingmaschine verarbeitet wird,
und sind somit gewissermaßen der Inhalt computertechnischer Operationen. Ob-
wohl mit der Einführung der Von-Neumann-Computerarchitektur die strukturelle
Differenz zwischen Daten und Programmen aufgehoben wurde, lebt sie in der
Computerpraxis fort und zeigt sich im Gebrauch des Datenbegriffs.85 Als Gegen-
begriff zu Programm, Algorithmus und Befehl sind die Daten der Ausgangs- und
Zielpunkt bzw. Basis und Resultat ihrer computertechnischen Verarbeitung.86 Auf
diesem Verständnis gründet die problematische, dass Daten als Inhalte computer-
technischer Verfahren medientheoretisch vernachlässigt werden können. Dass das
Gegenteil der Fall ist, wurde bereits dargelegt. Doch auch wenn sich die Gegen-
überstellung von Daten und Programmen in dieser Hinsicht als suggestiv erweist,
markiert sie einen wichtigen, nicht zu vernachlässigenden Unterschied. Die In-
struktionen, die den Computer steuern, sind nicht mit den Informationen zu ver-
wechseln, auf die Nutzer vermittels des Computers Zugriff erhalten. Auch wenn die
Differenz zwischen Daten und Befehlen allenfalls relativ ist und vom Standpunkt
der Beobachtung bzw. dem spezifischen Gebrauch des Computers abhängt, ist
die hierdurch getroffene Unterscheidung nicht zuletzt für die medientheoretische
85 | Die Von-Neumann-Architektur sieht einen gemeinsamen Speicher für Daten und
Programme vor (vgl. Von Neumann 1987 [1945]: 19f.).
86 | Auf der Gegenüberstellung von Daten und Programmen basiert Lustis Definition
von Daten respektive Datenbanksystemen: »Werte, die sich auf Rechnern darstellen
lassen, nennt man Daten. Programme, die Massendaten verwalten, heißen Daten-
banksysteme« (Lusti 1997: 3).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242