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Techno-Logik 211
sante Frage lautet: Wie lange dauert es, auf einen beliebigen, aber festen Eintrag
zuzugreifen? Sequentielle Speicher benötigen dafür bis zu fünf Minuten, wohin-
gegen Speicher mit Direktzugriff in nur einer Sechstel Sekunde auf jeden beliebigen
Datensatz zugreifen können. Die dieser Gegenüberstellung zugrunde gelegten
Zugriffszeiten sind ein Relikt der Technologien der 1960er Jahre und entsprechen
heute keineswegs mehr der technischen Realität. An dem prinzipiellen Unterschied
zwischen diesen Speicherformen hat sich jedoch nichts geändert, der sich in der
Differenz zwischen Bandspeichern und Festplattenspeichern funktional nieder-
schlägt. Nicht der Übergang vom Papierspeicher Lochkarte zum Magnetspeicher
oder zu anderen elektronischen, aber weiterhin sequentiellen Speichertechno-
logien stellt die eigentliche Revolution in der Entwicklung neuer persistenter
Speichermedien dar, sondern die Umstellung vom sequentiellen auf den direkten
Speicherzugriff, der sich mit der Einführung und sukzessiven Durchsetzung von
Festplatten vollzogen hat.
Medienhistorisch folgenreich ist die Erfindung der Festplatte unter anderem
deshalb, weil die materiale Logik der Speicherung auf die Gebrauchs- und Umgangs-
formen mit Computern zurückwirkt. Durch Festplattenspeicher rückte der inter-
aktive Umgang mit Computern in den Horizont des technisch Möglichen und
wurde zu einer Entwicklungsaufgabe. Das in der Frühzeit der computertechnischen
Informationsverarbeitung vorherrschende Batch Processing folgt der linearen Logik
sequentieller Speicher. Kann auf Informationen nur in der Reihenfolge zugegriffen
werden, in der sie auf dem Datenträger abgelegt sind, dann ist ihre Verarbeitung nur
dann effizient möglich, wenn diese ebenso sequentiell erfolgt: »Data was stored on
tape as a sequence of codes, and efficient processing was possible only when the tape
was read from start to end with a minimum of rewinding or searching« (Haigh 2009:
7).10 Eben dies leistet die Stapelverarbeitung, die dem Problem des linearen Zugriffs
durch die gesammelte Durchführung einer Vielzahl gleichförmiger Verarbeitungs-
aufgaben begegnet. Es handelt sich um eine Strategie, die Beschränkungen des
linearen Speicherzugriffs zu kompensieren. Dies wurde mit der Verfügbarkeit der
Festplatte als Sekundärspeicher mit Direktzugriff hinfällig:
10 | Die Stapelverarbeitung gleichförmiger Informationsverarbeitungsaufgaben er-
schien aufgrund der beschränkten Zugriffsmöglichkeiten sequentieller Speicher-
technologien als praktisch notwendig, war aber dennoch ineffizient. Verstärkt wurde
der Nachteil sequentieller Speicher unter anderem dadurch, dass damalige Com-
pu ter nur über einen relativ kleinen internen Hauptspeicher verfügten. Aufgrund
dessen war es, wie Haigh herausgestellt hat, nur möglich, relativ einfache Verarbei-
tungsaufgaben in einem Speicherdurchgang abzuarbeiten: »Memory limitations,
coupled with the inflexible, serial nature of tape storage, meant that a single major
job might require dozens of programs to be run one after another, each reading and
writing information from several tapes. Most of these programs processed interme-
diate results writing during earlier runs« (Haigh 2009: 7).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242