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Techno-Logik 219
lauffähig. Zu dieser relativen Statik von Computeranwendungen steht sowohl die
Dynamik der Gebrauchskontexte, in denen die Computer zum Einsatz kommen,
in einem Spannungsverhältnis als auch die rasche Entwicklung immer leistungs-
fähigerer Hardware. In einer Welt sich wandelnder Anforderungen an Technik
und sich wandelnder Technologien gilt es, wie Jardine auf einer SHARE-Konferenz
im Juli 1973 festgestellt hat, die geleisteten Investitionen in Daten und Software-
anwendungen zu schützen.20 Das Streben nach Datenunabhängigkeit sei moti-
viert durch den Wunsch nach »[p]rotection of investment in data & programs in a
changing business & computing environment« (Jardine 1973: 2). Ermöglicht werden
soll somit die Fortentwicklung von Datenbanksystemen, ohne dass die Integrität
der Daten und die Funktion der Anwendungsprogramme beeinträchtigt wird:
»Neither usage nor maintenance of the stored data can be independent of the enter-
prise’s requirements. Data independence permits each to be independent of each
other, while responding to the business requirements. Programs should not be sub-
ject to impact of influences external to themselves. Data independence insulates
a user from the adverse effects of the evolution of the data environment.« (Study
Group on Data Base Management Systems 1975: II-29)
Der Gebrauch und die Verwaltung von Informationen sollen voneinander ent-
koppelt und gegeneinander abgeschirmt werden, um zu verhindern, dass sich Ver-
änderungen an einer Datenbank auf die Funktion bereits existierender Anwendungs-
programme auswirken. Diese Änderungen können sich mindestens auf zwei Ebenen
manifestieren: der logischen Ebene der Datenstrukturen und der physischen Ebene
der Speicherung. Letztere betrifft die Anordnung von Informationen auf digitalen
Datenträgern. Änderungen an dieser Ordnung sollen keine Auswirkungen auf die
Abfrage von Informationen haben, d.h. Endnutzer und Anwendungsprogramme
sollen in der Lage sein, auf bestimmte Informationen zuzugreifen, ganz gleich, wo
diese im Speicher abgelegt sind (vgl. Date/Hopewell 1971b). Um dies zu gewähr-
leisten, sei Codd zufolge eine »clear distinction between order of presentation on
the one hand and stored ordering on the other« (Codd 1970: 378) einzuführen.
Von der physischen Datenunabhängigkeit, welche die materielle Verkörperung von
Informationen im Speicher betrifft, unterscheiden Date und Hopewell die logische
Datenunabhängigkeit (vgl. Date/Hopewell 1971a). Wird es notwendig, die Struktur
der Datenbank zu verändern, um nicht nur neue Informationen zu einer Daten-
bank hinzuzufügen, sondern genuin neue Formen von Informationen in diese
20 | SHARE ist eine 1955 gegründete IBM-Nutzergruppe. Als Zusammenschluss von
IBM-Computernutzern diente SHARE dem gemeinsamen Wissens- und Kompetenz-
austausch sowie der kollaborativen Entwicklung von Betriebssystemen und Anwen-
dungsprogrammen für IBM-Computer. In dieser Hinsicht weist SHARE Parallelen zur
heutigen Open Source-Bewegung auf (vgl. Haigh 2002: 8; 2009: 11).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242