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Techno-Logik 239
Ein Buch, welches in einer bibliographischen Datenbank verzeichnet wird,
existiert auch unabhängig von seiner Katalogisierung. Was durch den Datenbank-
katalog hervorgebracht wird ist deshalb nicht das Buch als Text, sondern Infor-
mationen über ein Buch als Entität, in Gestalt eines bibliographischen Ein-
trags. Historisch haben sich die Aspekte (Autor, Titel, Verlag, Erscheinungsort,
Erscheinungsjahr, ...), durch die Bücher beschrieben werden, weithin stabilisiert.
Jedoch stehen die Modi der bibliographischen Beschreibung nicht fest. So
kann »dasselbe Buch« beispielsweise im Kontext der bibliothekarischen und
archivarischen Erschließung unterschiedliche Gestalt annehmen. Wird es vom
Bibliothekar als eigenständige Entität katalogisiert, betrachtet es der Archivar als
Teil einer Sammlung oder eines Bestands und erschließt es als solches.45 Hieran
werden unterschiedliche Politiken und Praktiken des »als Eins zählen[s]« (Badiou
2005: 37) deutlich, welche in unterschiedlichen konzeptuellen Schemata formalisiert
und technisch operativ werden können. Durch die Erfassung eines Dokuments
in einem Katalog wird dieses als Entität eines bestimmten Typs festgelegt. Dem
Buch wird etwas hinzugefügt, was diesem nicht immanent ist. Daher ist es im
Kontext einer Bibliothek etwas anderes als im Kontext eines Archivs, was sich in
den Informationen zeigt, die über »dasselbe Buch« in unterschiedlichen Katalog-
datenbanken gespeichert werden.46 Die Formulierung »dasselbe Buch« ist zu apo-
strophieren, da die unterschiedlichen Formen der informationellen Beschreibung
von Entitäten festschreiben, was als dasselbe gilt und was nicht. Unterschiedliche
Exemplare der gleichen Ausgabe von Goethes Faust können in einer Biblio-
thek als dasselbe Buch gelten. Archive hingegen referenzieren die Provenienz der
Dokumente, weshalb »dasselbe Buch« in unterschiedlichen Sammlungsbeständen
als unterschiedlich betrachtet wird.47 Editionsphilologen können wiederum andere
Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD) aufgezeigt (vgl. Bowker/
Star 2000: 33ff.).
45 | Ein Beispiel hierfür ist die Sammlung Gordon Everest Monographs on Database
Development im Archiv des Charles Babbage Institute for the History of Information
Technology der University of Minnesota, Minneapolis. Dieser Bestand beinhaltet
die von Gordon Everest zwischen 1957 und 2003 gesammelten Monographien über
Datenbanktechnologien. Im Archiv sind diese Bücher als Teil einer Sammlung er-
schlossen; vgl. Charles Babbage Institute/Horowitz (2007).
46 | Auch der Prozess der bibliothekarischen Erschließung von Dokumenten ist kon-
tingent. Dies zeigt sich beispielsweise an der Katalogisierung von Sammelbänden,
die häufig nicht mehr nur als Bücher verzeichnet werden. In digitalen Bibliothekskata-
logen werden immer häufiger auch die einzelnen Aufsätze in Sammelbänden ver-
zeichnet und können vom Nutzer gesucht werden. Damit ändert sich die dokumenta-
rische Bezugseinheit bibliothekarischer Katalogisierung vom materiellen Dokument
zum immateriellen Text.
47 | Sofern unterschiedliche Medienprodukte in verschiedenen Kontexten als das-
selbe gelten, muss die im Kapitel »Medium« (S. 47f.) diskutierte These Wiesings,
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242