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Digitale
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mit einem Maßband messen lässt, sondern nach den Regeln des Algorithmus Web-
seiten zugeordnet. Infolgedessen haben Suchmaschinenbetreiber durch die Ver-
änderung der Algorithmen einen erheblichen Einfluss darauf, was ihren Nutzern
als relevante Information präsentiert wird und welche Informationen diese zur
Kenntnis nehmen.
Ein Beispiel hierfür ist der aktuelle Trend zur Personalisierung von Suchergeb-
nissen, die der Internetaktivist Eli Pariser (2011) als Filter Bubble bezeichnet und
kritisiert hat. Das Versprechen der Personalisierung ist es, den Nutzern auf Grund-
lage ihrer Nutzungsgewohnheiten bessere, d.h. individuell relevantere Ergebnisse
zu liefern. Hierin besteht nach Ansicht von Pariser jedoch auch eine Gefahr, da die
Nutzer zunehmend in einer Filter Bubble gefangen werden, in der sie nur das finden,
was ihren eigenen Überzeugungen, Ansichten, Einstellungen und Interessen ent-
spricht. Die für die Nutzer unsichtbare Personalisierung verdeckt die Vielfalt an
Informationen und Wissen sowie die Heterogenität von Positionen und verzerrt
somit ihre Wahrnehmung: »[T]he filter bubble distorts our perception of what’s
important, true, and real« (Pariser 2011: 20).
In Anerkennung der Gestaltungsmacht von Suchmaschinenbetreiber haben
Lucas Introna und Helen Nissenbaum bereits 2000 in dem vielbeachteten Artikel
Shaping the Web: Why the Politics of Search Engines Matters die Offenlegung von
Suchalgorithmen gefordert: »As a first step we would demand full and truthful
disclosure of the underlying rules (or algorithms) governing indexing, searching,
and prioritizing, stated in a way that is meaningful to the majority of Web users«
(Introna/Nissenbaum 2000: 181). Dies ist nach Einschätzung von Bernhard Rieder
die am häufigsten geäußerte Forderung im aktuellen Suchmaschinendiskurs (vgl.
Rieder 2009: 152). Doch das Öffnen der Black Box würde die Suche im WWW nicht
demokratischer, neutraler oder besser machen. Im Gegenteil, die Bekanntgabe
der in Suchalgorithmen eingeschriebenen Bewertungsmechanismen würde die
Machtasymmetrie nicht auflösen, sondern auf eine andere Ebene verschieben. Denn
die Ergebnisse von Suchmaschinen lassen sich nicht nur von »innen« heraus durch
die Anpassung von Algorithmen verändern. Sie können auch von »außen« durch die
gezielte Gestaltung von Webseiten und durch die Beeinflussung der Webtopologie
manipuliert werden. Für diese Art der äußeren Einflussnahme auf die Ergebnis-
listen von Suchmaschinen hat sich der Begriff Suchmaschinenoptimierung (Search
Engine Optimization, kurz: SEO) durchgesetzt.103 Mit dem Wissen um die Be-
103 | Seitens der Suchmaschinenbetreiber wurde die Unterscheidung von weißen
und schwarzen Optimierungspraktiken eingeführt, welche jedoch ebenso ökono-
misch motiviert sind. Weiße Suchmaschinenoptimierung kann zur Verbesserung der
Suche von Websuchmaschinen beitragen, wenn z.B. Webseitenanbieter ihre Seiten
technisch so aufbereiten, dass sie von Suchmaschinen besser verarbeitet werden
können. Diese Optimierungspraxis ist von Suchmaschinenbetreibern erwünscht und
wird unterstützt. Demgegenüber dient die schwarze Suchmaschinenoptimierung
der gezielten Manipulation von Suchergebnissen. Aufgrund dessen enthalten die
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242