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Techno-Logik 275
Web, wenn sie auf die prinzipielle Beschränktheit von Klassifikationssystemen und
algorithmischen Auswertungsverfahren hinweisen, sowie wenn sie Zweifel daran
anmelden, dass das gesamte WWW mit semantischen Metadaten erweitert werden
kann. Produktiv gewendet kann diese Kritik als Hinweis für den künftigen Ein-
satz von Semantic Web-Technologien in konkreten medialen Praxen verstanden
werden. Hierbei gilt es der Tendenz zur Entgrenzung des Semantic Web entgegen-
zuwirken, indem die durchaus noch näher zu bestimmenden Grenzen dieser Tech-
nologien des Sinns anerkannt werden und in die Gestaltung der auf diesen Tech-
nologien beruhenden Informationssysteme eingehen. Ein mögliches Ziel könnte es
sein, die Kontingenz von Glossaren, Taxonomien, Thesauri und Ontologien in der
Tiefe des Informationssystems nicht zu verbergen, sondern an den Benutzerober-
flächen erfahrbar zu machen, sodass diese Erfahrung zum integralen Bestandteil
der Interaktion mit semantisch annotierten Informationen wird. Dies führt zu der
zweiten medienkulturtheoretisch bedeutsamen Beobachtung, welche die Probleme
betrifft, die sich bei der praktischen Umsetzung des Semantic Web abzeichnen.
Neben den genannten prinzipiellen Bedenken wird häufig der pragmatische Ein-
wand geäußert, dass es sich bei dem Semantic Web vor allem um einen theoretischen
Diskurs handelt, der in der Medienpraxis jedoch weithin wirkungslos geblieben
ist. »Man findet«, so stellt Weinberger kritisch fest, »[...] kaum Anwendungen des
Semantic Web im großen Stil, die über die Forschungsphase hinausgehen würden«
(Weinberger 2008: 233). Eine Ursache hierfür ist, dass RDF, RDFS und OWL nicht in
erster Linie auf Anwendungen abzielen, sondern die semantische Auszeichnungen
von Informationen ermöglichen, auf die in unterschiedlichen Anwendungskon-
texten zurückgegriffen werden können soll.117 Die Publikation von semantisch
annotierten Informationen im Internet und die Vernetzung dieser Informationen
mithilfe von Links wird jedoch als Voraussetzung für die Implementierung von
Semantic Web-Anwendungen betrachtet. Dementsprechend hat Tim Berners-Lee
2006 unter dem Titel Linked Data vier Regeln für die Publikation von strukturierten
Daten im Internet vorgeschlagen (Berners-Lee 2006):
»1. Use URIs118 as names for things
2. Use HTTP URIs so that people can look up those names.
3. When someone looks up a URI, provide useful information, using the standards
(RDF*, SPARQL)
4. Include links to other URIs. [sic!] so that they can discover more things.«
117 | Das Semantic Web beruht auf der Idee der Entkopplung der im Web verfüg-
baren Informationen von ihrem Gebrauch im Rahmen bestimmter Anwendungen,
d.h. unter anderem von ihrer Präsentation auf Webseiten. Die Parallele zum Problem
der Datenunabhängigkeit, welches die Entwicklung von Datenbankmanagement-
systemen angeleitet hat, ist unverkennbar.
118 | URI steht für Uniform Resource Identifier und dient der eindeutigen Identifikation
von Ressourcen.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242