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Techno-Logik 281
der Festplatte als dem apparativen Horizont von Datenbanktechnologien wurden
die Entwicklung von Architekturen für Datenunabhängigkeit sowie Verfahren des
computertechnischen Umgangs mit Bedeutung im doppelten Sinn von Gehalt und
Relevanz diskutiert. Es wurde deutlich, dass der Eindruck der Immaterialität digi-
taler Information unter anderem auf der zunehmenden Entkopplung der computer-
technischen Verwaltung und Verarbeitung von Informationen beruht, die durch
Datenbankmanagementsysteme geleistet wird. Diese materiellen Voraussetzungen
der Immaterialität digitaler Informationen bleiben beim Gebrauch von Daten-
banken jedoch gemeinhin verborgen. Aus dieser Unsichtbarkeit der materiellen
Infrastrukturen resultiert die problematische Vorstellung, es handele sich um eine
Eigenschaft von digitalen Informationen und nicht um ein Leistungsmerkmal von
Informationssystemen. Einer solchen Naturalisierung digitaler Informationen
kann durch die Betrachtung und Reflexion der architektonischen Gestaltung von
Informationssystemen entgegengewirkt werden.
Die Kritik an Naturalisierungstendenzen eröffnet zugleich eine Analyseper-
spektive auf Verfahren des computertechnischen Umgangs mit Bedeutung. Sofern
bedeutungstragende Informationen in DBMS automatisch verwaltet werden, be-
ruht dies auf der Übersetzung von Information über Realität in Information als
Realität. Durch die Spezifikation des Gehalts von Information im konzeptuellen
Schema wird jedoch nie die, sondern stets nur eine Bedeutung formal expliziert.
Das Gleiche gilt für Ontologien im Kontext des Semantic Web. Infolgedessen sind
die in Datenbanken oder im Web of Data versammelten Informationen nie bloße
Fakten, sondern Aussagen, die in spezifischen Kontexten getroffen werden und von
einer bestimmten medientechnischen Konfiguration abhängen. Eine der größten
Herausforderungen für die Realisierung der Semantic Web-Vision stellt, wie gezeigt
wurde, die Bewahrung des Aussagecharakters von Informationen dar.
Den betrachteten Verfahren der Explikation des Gehalts von Information für
Computer stehen in der digitalen Medienkultur algorithmische Verfahren der Zu-
schreibung von Bedeutung durch Computer gegenüber: Als Relevanzbewertungs-
technologien schaffen Websuchmaschinen Orientierung, indem sie unüberschau-
bare Mengen an Informationen ordnen und hierdurch die Aufmerksamkeit der
Nutzer auf Inhalte lenken, die für sie potenziell von größerem Interesse sind als
andere. An die Stelle der vorgängigen Explikation von Informationen im konzeptu-
ellen Datenbankschema oder in Webontologien tritt die nachträgliche Analyse
durch Algorithmen. Dieser Unterschied ist jedoch allenfalls relativ, da auch Such-
maschinen stets auf Datenbanktechnologien angewiesen sind. Eine Analyse der
technischen Bedingtheit der digitalen Medienkultur kann infolgedessen nicht bei
der holzschnittartigen Gegenüberstellung von Daten(strukturen) und Algorith-
men stehen bleiben, sondern muss beobachten, wie beide Seiten in konkreten In-
formationssystemen miteinander verschaltet sind, und danach fragen, wie sich dies
auf je unterschiedliche Weise in mediale Praktiken mit digitalen Infor mations-
sammlungen einschreibt.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242