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Digitale
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Die Herausforderung einer Beschreibung der PhÀnomeno-Logik digitaler Da-
tenbanken kann in Anlehnung an Heideggers in Sein und Zeit entwickeltes Ver-
stÀndnis der PhÀnomenologie auf die Frage gebracht werden: Wie zeigt sich die
Datenbank je nach Zugangsart zu ihr von sich selbst her?2 Diese Frage weist in
Richtung des relationalen VerhÀltnisses zwischen der Datenbank als einer me-
dialen Konstellation bzw. als Sammlung medialer Konstellationen und ihrem
Gebrauch in medialen Praktiken durch die Nutzer. Im Anschluss an Don Ihdes
postphÀnomenologische Studien lÀsst sich dieses VerhÀltnis als ein zweifaches
Embodiment beschreiben, welches er am Beispiel der instrumentellen Wahr-
nehmung in den Wissenschaften beschreibt: »[S]cience is necessarily âșembodiedâč in
technologies or instruments, but simultaneously it implicates human embodiment
as that to which the âșdataâč are reflected« (Ihde 2003a: 133).3 Analog hierzu können
Benutzerschnittstellen als Formen der Verkörperung von Datenbanken begriffen
jeweils fĂŒr jemanden bedeuten mögen« (GĂŒnzel 2009: 157). Wovon sich Foucault
distanziert ist demzufolge das BegrĂŒndungsunterfangen Husserls, aber nicht das
phĂ€nomenologische Vorgehen: »Diskursanalyse ist«, so die These GĂŒnzels, »PhĂ€-
nomenologie minus deren BegrĂŒndung« (GĂŒnzel 2009: 160).
2 | Bei seiner Bestimmung des phÀnomenologischen PhÀnomenbegriffs rekurriert
Heidegger auf die antike Philosophie. PhÀnomene seien »die Gesamtheit dessen,
was am Tage liegt oder ans Licht gebracht werden kann« (Heidegger 1993 [1927]:
28). Die so bestimmten PhÀnomene wurden auch als das Seiende bezeichnet,
welches sich »in verschiedener Weise, je nach Zugangsart zu ihm, von ihm her selbst
zeigen« (Heidegger 1993 [1927]: 28) kann. Um eine Beschreibung der Weise des
Sich-Zeigens ist die PhĂ€nomenologie bemĂŒht, wie auch im Ăbergang vom vulgĂ€ren
und phÀnomenologischen PhÀnomenbegriff deutlich wird: Bedeutet PhÀnomen im
Normalfall »Sich-an-ihm-selbst-zeigen«, so richtet sich die PhÀnomenologie auf das
»Sich-so-an-ihm-selbst-zeigende« (Heidegger 1993 [1927]: 31), d.h. auf Anschau-
ungsformen.
3 | Es ist anzumerken, dass Ihde das Unbehagen vieler Kritiker an der Setzung
des intentionalen Bewusstseins sowie des transzendentalen Egos als Ausgangs-
und Zielpunkt phÀnomenologischer Beschreibungen teilt. Dennoch hÀlt er an der
phÀnomenologischen Methode fest, die er strategisch als PostphÀnomenologie
bezeichnet, um die Differenzen zu der am Bewusstsein und Subjekt orientierten
PhÀnomenologie husserlscher PrÀgung zu unterstreichen. An die Stelle des
Bewusstseins setzt Ihde im Anschluss an Merleau-Ponty das Embodiment, an
die Stelle des Subjekts die Erfahrung und an die Stelle der Wesensschau die auf
empirischen Erfahrungen grĂŒndende Beschreibung multistabiler PhĂ€nomene (vgl.
Ihde 2008: 6f.). Zentrales Moment ist fĂŒr ihn die RelationalitĂ€t und ReflexivitĂ€t
der Welterfahrung (vgl. Ihde 2003a: 133). Insbesondere in den Wissenschaften
zeige sich, dass die Erfahrung der Welt nicht unmittelbar ist, sondern vermittelt.
Welterfahrung ist heute zunehmend eine Erfahrung durch Instrumente, in denen die
Wissenschaften verkörpert sind.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen OberflÀche und Tiefe 73
- PhÀnomeno-Technische Konfigurationen 75
- SpielrÀume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: BegriffsklÀrung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen fĂŒr DatenunabhĂ€ngigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242