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Phänomeno-Logik 291
schreibesystems 2000.11 Digitale Datenbanken und die in ihrer Architektur angelegte
Loslösung der computerseitigen Speicherordnung von den nutzerseitigen Ge-
brauchsordnungen exemplifizieren die Trennung von Inhalt und Form auf para-
digmatische Weise. Explizit formuliert wurde der Wunsch, die Erscheinungsweise
digitaler Informationen unabhängig, d.h. in Absehung des konkreten Inhalts,
verändern zu können, jedoch zunächst in einem anderen Kontext (vgl. Liu 2008:
216). Parallel zur Entwicklung von Datenbankmanagementsystemen setzte Ende
der 1960er Jahre die Entwicklung von Markupsprachen ein, die den Übergang
von einem prozeduralen zu einem deskriptiven Paradigma der Textverarbeitung
markiert, wie Charles Goldfarb – einer der Väter der Standardized General Markup
Language (SGML)12 – darlegt (vgl. Goldfarb 1981).13 In seinem kurzen Abriss der
Geschichte von Markupsprachen schreibt Goldfarb die Idee der Trennung von
Inhalt und Form digitaler Texte William Tunnicliffe zu, der diese Idee erstmals 1967
im Rahmen eines Vortrags formuliert haben soll (vgl. Goldfarb 1995: 567f.).14 Die
dominante Markupsprache ist heute XML (eXtensible Markup Language), welche
unter anderem auch die Basis von HTML (HyperText Markup Language) bildet.
Markupsprachen ermöglichen die Trennung von Inhalts- und Präsentations-
form durch die logisch-deskriptive Auszeichnung von Dokumenten. Hierbei
werden die Dokumentinhalte um computerlesbare (oder genauer computerver-
arbeitbare) Metainformationen ergänzt, indem beispielsweise Überschriften von
einem Überschrift-Element <headline> ... </headline> oder Textabsätze von einem
Paragraphen-Element <paragraph> ... </paragraph> umschlossen werden (vgl. Lo-
bin 2000: 9ff., 37ff.).15 Wie die derart ausgewiesenen Elemente eines Dokuments
11 | Liu schließt damit an Kittlers Beschreibung der Aufschreibesysteme 1800/1900
an, wobei seines Erachtens die Trennung von Inhalt und Form die leitende Ideologie
des aktuellen Aufschreibesystems darstellt (vgl. Liu 2008: 211f.).
12 | Die Auszeichnungssprache SGML wurde 1986 zu einem offiziellen ISO-Stan-
dard. Aus dieser ist Ende der 1990er Jahre die eXtensible Markup Language (XML)
hervorgegangen (vgl. Lobin 2000: 2f.).
13 | Wie Liu in Bezug auf die USA darlegt, wurde die Nutzbarmachung von Markup-
sprachen in den Geistes- und Kulturwissenschaften zu dieser Zeit vor allem an
der Ostküste vorangetrieben. Demgegenüber sei die Erprobung der Einsatz möglich-
keiten von Datenbankmanagementsystemen für die Humanities zunächst eher ein
Westküstenphänomen gewesen (vgl. Liu 2008: 210 und 218).
14 | Neben Tunnicliffe erwähnt Goldfarb auch Stanley Rice und Norman Scharpf als
wichtige Wegbereiter deskriptiver Markupsprachen (vgl. Goldfarb 1995: 567f.).
15 | In der Praxis ist diese Unterscheidung von Primärinformationen und Metainfor-
mationen nicht trennscharf. So können den Elementen Attribute beigefügt werden,
deren Werte Primärinformationen sein können. Demgemäß ist es möglich, die von
einem Element umschlossenen Informationen als Attributwert in dem Element zu
deklarieren. Eine Überschrift <headline> ... </headline> kann daher auch wie folgt
annotiert werden <headline text=«...«/>.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242