Seite - 294 - in Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
Bild der Seite - 294 -
Text der Seite - 294 -
Digitale
Datenbanken294
von Filmsequenzen automatisch von einer Software geleistet. Als Grundlage dieser
Filme dient eine Datenbank, in der die einzelnen Filmsequenzen, angereichert
mit Metadaten, gespeichert sind. Durch die Anpassung der Software bzw. der
Parameter, mit der die Software Sequenzen selektiert und arrangiert, kann aus der
Datenbank eine Vielzahl von unterschiedlichen Filmen erzeugt werden. Diese Form
der Autorschaft charakterisiert Liu als parametrisierend (vgl. Liu 2008: 216f.).23 Ein
weiteres Beispiel ist die softwaregestützte Generierung von Berichten auf Grund-
lage von strukturierten Datenbeständen, wie sie die Firma Narrative Science entwi-
ckelt hat.24 Zum Einsatz kam diese Technologie zuerst im Bereich der Sportbericht-
erstattung. Aus erhobenen Daten über den Spielverlauf werden mithilfe komplexer
Artificial Intelligence-Anwendungen automatisch journalistische Berichte generiert,
die stilistisch zwar wenig elegant sind, über den Verlauf des Spiels jedoch korrekt
informieren, wie Mercedes Bunz anmerkt (vgl. 2012: 13). Mittlerweile wird diese
Technologie eingesetzt, um Daten aus den Bereichen Finanzen, Marketing und
Werbung in Texte zu transformieren: Dem Leser wird nicht die Datenbank präsen-
tiert, sondern ein Text, in dem die von Programmierern als bedeutsam eingestuften
Inhalte der Datenbank zusammenfasst sind.
Diese algorithmischen Verfahren der Übersetzung von Datenbankinformationen
in Texte oder Filme mit ihrer parametrisierenden Form der Autorschaft können in
Anlehnung an Bernhard Rieder, der den Begriff wiederum von Paul Virilio entlehnt,
als Sehmaschinen begriffen werden: »They are vision machines that not only extend
our perception into the masses of information that would normally be far beyond
human scope, but that also interpret the environment they render visible« (Rieder
2005: 29).25 Bei den genannten Beispielen bleibt jedoch nicht nur die Datenbank,
23 | Liu spricht in diesem Zusammenhang von data pours, die automatisch mit
Datenbankinformationen gefüllt werden: »data pours [...] are places on a page –
whether a Web page or a word-processing page connected live to an institutional
database or XML repository – where an author in effect surrenders the act of
writing to that of parameterization. In these topoi, the author designates a zone,
where content of unknown quantity and quality – except as parameterized in such
commands as ›twenty items at a time‹ or ›only items containing sick rose‹ – pours into
the manifest work from databases or XML sources hidden in the deep background«
(vgl. Liu 2008: 216f.).
24 | Siehe hierzu die Webseite der Firma Narrative Science, www.narrativescien
ce.com/ (zuletzt aufgerufen am 10.06.2013), sowie die Webseite des Projekts
Stats Monkey an der Northwestern University, aus dem die Firma hervorgegangen
ist, infolab.northwestern.edu/projects/stats-monkey/ (zuletzt aufgerufen am
10.06.2013).
25 | Rieder wendet das Konzept von Virilio auf Suchmaschinen an (vgl. Rieder 2005).
Jedoch können auch algorithmische Verfahren der Übersetzung zwischen der Tiefe
der Datenbank und verschiedenen Benutzeroberflächen als vision machines in dem
genannten Sinn verstanden werden.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242