Seite - 295 - in Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
Bild der Seite - 295 -
Text der Seite - 295 -
Phänomeno-Logik 295
sondern auch das Verfahren der Sichtbarmachung unsichtbar. Gerade hierin besteht
eine Gefahr, da der Endnutzer auf eine vordefinierte Perspektive festgelegt wird,
ohne diese ändern zu können. Die Möglichkeit alternativer Narrative und konkur-
rierender Interpretationen wird durch die algorithmische Übersetzung unterlaufen,
sofern man als Nutzer keinen Einfluss auf die Parameter der algorithmischen Über-
setzung erhält. Entscheidend ist dementsprechend weniger, dass Datenbankinhalte
anhand bestimmter Parameter selektiert und arrangiert werden, sondern wer auf
welcher Ebene über diese Parameter entscheidet. Verlagert man diese Entscheidung
auf die den Endnutzern zugewandten Benutzeroberflächen, dann tritt die Daten-
bank als Datenbank in Erscheinung, d.h. als Horizont der Selektion, Kombination
und Interpretation von Informationen.
Die Operationsweise der Datenbank als latente Infrastruktur wurde bislang auf
zwei Ebenen diskutiert: dem Aufkommen des Template-Paradigmas im Webdesign
und in Bezug auf algorithmische Verfahren der Übersetzung von Datenbank-
inhalten in Texte oder Filme. Auf einer dritten Ebene ermöglichen Datenbanktech-
nologien aggregierende Verfahren der Zusammenführung, Auswertung und Prä-
sentation von Inhalten aus verschiedenen Quellen in eigenständigen Webangeboten.
Ein Beispiel hierfür sind die sogenannten Social Media Dashboards (z.B. HootSuite,
Sprout Social, Netvibes), die eine einheitliche Schnittstelle zu vielfältigen Web
2.0-Services wie z.B. sozialen Netzwerken (z.B. Facebook, Google+, LinkedIn),
Kommunikationsplattformen (z.B. Twitter), Blogs und anderen Web-Services
(Flickr, YouTube, Foursquare) bieten. Als Metapher einer Kontroll- und Steuerungs-
einheit erlaubt ein Social Media-Dashboard die Beobachtung und Auswertung von
Nachrichtenflüssen sowie die Publikation von Nachrichten auf verteilten Platt-
formen. Ein solches Dashboard ist ein Metaservice, »that curates our digital lives
and adds value above the level of a single site« (Battelle 2011).26
Voraussetzung hierfür ist die autonome Mobilität von Informationen in digitalen
Netzwerken, die durch Programmierschnittstellen (APIs) zu den Datenbanken der
einzelnen Anbieter gewährleistet wird. Durch die Bereitstellung von APIs erlauben
Plattformen wie Facebook, Twitter etc. externen Entwicklern den Zugriff auf eigene
Dienste und Informationsbestände, um auf dieser Grundlage Drittanbieter-An-
wendungen zu erstellen. Vermittels APIs können Statusupdates, Tweets, Kom-
mentare, Bilder etc. als Informationen aus unterschiedlichen Datenbanken aus-
gelesen bzw. darin abgelegt werden. Infolgedessen wird es möglich, mit denselben
Informationen in verschiedenen Kontexten auf unterschiedliche Weise umzugehen.
Hierdurch mag für die Nutzer der Eindruck der unbedingten Mobilität, Verarbeit-
barkeit und Rekontextualisierbarkeit digitaler Informationen im WWW entstehen,
doch diese Möglichkeit ist stets prekär. Denn durch technische oder juristische
26 | Als Beispiel eines Metaservices nennt Battelle die mittlerweile eingestellte
Webseite Memolane, welche ihren Nutzern ermöglichte, ihre Aktivitäten auf ver-
schiedenen Social-Media-Plattformen zu aggregieren und in einem Zeitstrahl zu
visualisieren (vgl. Battelle 2011).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242