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Phänomeno-Logik 297
ruhenden Informationspotenziale an der Oberfläche aktualisiert werden, d.h. auf
welche Weise »Informationsgewinnung organisiert wird« (Lovink 2009: 54). Zwei-
tens ist danach zu fragen, wie die Informationspotenziale der Datenbank in ihrer
Potenzialität an der Oberfläche zur Erscheinung kommen. Der Fokus liegt auf der
Inszenierung der Datenbank als einem virtuell unerschöpflichen Informations-
reservoir. Bereits 1998 hat Stephan Porombka auf diesen Aspekt von Datenbank-
schnittstellen hingewiesen. Er unterscheidet zwei Extrempole der Inszenierung
dessen, »was als das Ganze auf Festplatten gespeichert« (Porombka 1998: 324)
vorliegt: die Flugperspektive einerseits und die Froschperspektive andererseits. In
Visualisierungen, wie z.B. Tree Maps, Netzwerken o.ä., könne die Komplexität des
Ganzen in einer Überblicksdarstellung gezeigt werden, welche analog zu Bildern
in der Flug- oder Vogelperspektive einen Blick von oben auf die Gesamtheit der
Datenbank eröffnet. Was sich von dort zeigt, lässt sich Porombka zufolge jedoch
»nur noch als komplexe Figur wahrnehmen, die für ihre eigene Komplexität ein-
steht« (Porombka 1998: 325). Auf der anderen Seite des Inszenierungsspektrums
liege die »Froschperspektive ins Ganze« (Porombka 1998: 325), welche Porombka
am Beispiel eines Knotens im Hypertext beschreibt.30 Auf der Bildschirmoberfläche
werde nur ein Informationsbruchstück präsentiert, das durch Anklicken von Links
»durch weitere verbundene Informationsbruchstücke ersetzt werden« (Porombka
1998: 325) könne. Die Gesamtheit der potenziell zugänglichen Informationen bleibt
zwar unsichtbar, doch werde das Potenzial der Datenbank erfahrbar. In Anbetracht
der Verborgenheit des Vielen hinter dem Einen tritt das Ganze, wie Porombka
darlegt, als Imaginäres zum Vorschein. Symptomatisch sei, »daß die Nutzer solcher
Da
tenbanken immer sehr viel größere Datenmengen hinter der aufgerufenen
Information vermuten, als tatsächlich abgespeichert sind« (Porombka 1998: 325).
30 | Implizit orientiert sich Porombkas medientheoretische Betrachtung von Daten-
banken am Modell des Hypertexts. Diese Engführung wird vom Autor weder erläutert
noch begründet. Doch tatsächlich lässt sich die hypertextuelle Struktur des WWW
als eine Datenbank im nicht-technischen Sinn verstehen. Es ist ein Reservoir von
Dokumenten (und von den in diesen enthaltenen Informationen), auf die mittels URLs
zugegriffen werden kann. In der Tiefe der Computer ist das WWW global verteilt. An
der Oberfläche jedoch ist es lokal, da alle Nutzer überall auf sämtliche Dokumente
zugreifen können, sofern keine artifiziellen technischen Barrieren (Passwortschutz,
Zensur, GeoIP-Sperren) sie daran hindern. Zwischen der globalen Tiefe der Speicher
und den lokalen Benutzeroberflächen vermitteln Kommunikationsprotokolle (TCP/IP,
HTTP, FTP usw.), denen jeweils ein Adresssystem (IPv4, IPv6, URL usw.) eingeschrie-
ben ist, welches das Auffinden des Orts von Dokumenten im weltweit verteilten
Speicherraum der Internetserver ermöglicht. Die Adressordnung des WWW ist ge-
genüber den Inhalten, die durch Aufruf einer Webadresse gefunden werden können,
indif ferent. Infolgedessen stellt die Orientierung im Web ein grundlegendes Problem
dar.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242