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Phänomeno-Logik 301
unterschiedliche Interpretationen der gefundenen Ergebnisse erfordern. Um dies
zu verdeutlichen, kann ein Beispiel herangezogen werden, mit dem Hendry und
Efthimiadis (2008) aufzeigen, dass das Unwissen von Nutzern über die Funktions-
weise von Websuchmaschinen unter Umständen falsche Interpretationen der Such-
ergebnisse zur Folge haben kann: Ein Nutzer wollte sich mithilfe von Google der
Schreibweise des englischen Worts für »Kronleuchter« versichern und gab chanda-
leer ein. Dass die Anfrage weniger als einhundert Ergebnisse hatte, interpretierte
er fälschlicherweise als Bestätigung für die korrekte Schreibweise. Wie die Autoren
berichten, hätte die Suche nach chandelier in der richtigen Schreibweise jedoch
nahezu eine Million Ergebnisse zutage gefördert (vgl. Hendry/Efthimiadis 2008:
282).36 Dass Google Ergebnisse zu einer Suchanfrage liefert, ist demzufolge nicht
allein schon ein Indikator dafür, dass man den Suchbegriff richtig geschrieben hat.
Hingegen wäre die Interpretation des Nutzers bei einer ähnlich gelagerten Such-
anfrage an eine Katalogdatenbank nicht abwegig, da falsch buchstabierte Anfragen
hier zumeist keine Ergebnisse haben.
Am Beispiel von Hendry und Efthimiadis wird deutlich, dass die richtige Inter-
pretation von Suchergebnissen ein Wissen von der genutzten Suchtechnologie
voraussetzt. Hierzu zählt unter anderem auch ein Verständnis davon, welche
Ressourcen mit einem Anfragesystem durchsucht werden, d.h. von der Reichweite
des Informationsbestands.37 Daher ist es nicht nur problematisch, wenn Nutzer
ein ungenügendes Wissen davon haben, wie Websuchmaschinen funktionieren,
sondern auch, wenn sie meinen, dass die hinter den Suchformularen ablaufenden
36 | Mittlerweile verfügt Google über eine Rechtschreibprüfung, die in der Ergeb-
nisliste einen Suchvorschlag zur Suche nach dem Wort in der korrekten Schreibweise
anzeigt (»Meinten Sie: ...«). Infolgedessen ist es heute unwahr scheinlicher, dass ein
Nutzer noch immer zu dem von Hendry und Efthimiadis beschriebenen Fehlschluss
gelangt. Mit dieser technischen Erweiterung wurde das von den Autoren beschriebene
Problem jedoch keineswegs gelöst, sondern verschoben: Wer heute nach etwas
relativ Seltenem sucht oder einen Suchbegriff verwendet, der einer populären
Anfrage sehr ähnlich ist, erhält von Google mitunter Vorschläge, die Suchanfrage zu
verändern. Dies suggeriert dem Nutzer, einen Fehler gemacht zu haben, was jedoch
nicht immer der Fall ist. Daher müssen die von Google unterbreiteten alternativen
Suchvorschläge stets hinterfragt werden. Hierfür bedarf es eines Wissens über
die Funktionsweise von Suchmaschinen, auf dessen Notwendigkeit Hendry und
Efthimiadis mit ihrem Beispiel hinweisen.
37 | Mit der Einführung der sogenannten Blended Search oder Universal Search
haben Websuchmaschinen spätestens seit 2007 damit begonnen, Ergebnisse
aus verschiedenen Informationsbeständen (Nachrichten, Bilder, Videos etc.) in die
normale Websuche zu integrieren (vgl. Quirmbach 2009). Hierdurch wird dem Nutzer
einer Websuchmaschine tendenziell verborgen, welche Informationsbestände die-
ser durchsucht und wie die Ergebnisse aus den verschiedenen Beständen in eine
Ergebnisdarstellung integriert werden.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242