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Phänomeno-Logik 303
weise per Default-Einstellung mit dem booleschen Operator AND verknüpft, d.h.
es wird implizit davon ausgegangen, dass sich alle eingegebenen Suchworte in
den Ergebnissen finden sollen. Zudem kommen insbesondere bei Websuchma-
schinen algorithmische Verfahren der Interpretation von Suchanfragen zum Ein-
satz. Algorithmen, die auf Grundlage von erhobenen Nutzungsdaten entwickelt
wurden, kategorisieren Suchfragen z.B. nach Genre, Thema, Intention, Ziel, Spezi-
fität, Bandbreite, Autoritätsbezug sowie Orts- und Zeitbezug (vgl. Lewandowski
2011: 66f.).42 Bei dieser Form der Schlagwortsuche wird die explizite Angabe von
Suchbedingungen zunehmend in die implizite Gestaltung des Anfrage-Interface
und in die in der Tiefe unsichtbar ablaufenden Operationen des Suchsystems ver-
lagert. Hierbei bleibt die Anfragelogik im bzw. hinter dem Interface verborgen. Wie
Google und andere Websuchmaschinen Suchanfragen interpretieren ist für die
Nutzer nicht unmittelbar ersichtlich, weshalb im Anschluss an Röhle bei der Ana-
lyse von Such-Interfaces auch danach zu fragen ist, ob und wie die impliziten Vor-
einstellungen und Interpretationsprozesse an der Benutzeroberfläche transparent
gemacht werden (vgl. Röhle 2010: 156). Bisher lassen sich auf Seiten der Suchdienst-
anbieter jedoch kaum Bemühungen beobachten, die in diese Richtung weisen.43
Zugleich hat die Verlagerung der expliziten Angabe von Suchkriterien in die
implizite Gestaltung des Suchsystems zur Folge, dass die Einstiegshürde für
Anwender relativ gering gehalten wird. Auch wenn derartige Anfragesysteme
auf den inkompetenten Nutzer hin entworfen sind, verschwindet die Frage der
nutzerseitigen Kompetenz nicht. Es bedarf zwar keines besonderen Könnens, um
überhaupt etwas zu suchen, aber einer Kompetenz, um Suchanfragen zu stellen, mit
denen gezielt bestimmte Informationen gefunden werden. Diese Kompetenz besteht
nicht nur in der Wahl der Suchworte und erweiterter Suchoptionen, sondern auch
in der Wahl einer geeigneten Datenbank und in der richtigen Interpretation der
Suchergebnisse.
42 | Hierdurch wird, wie Lewandowski darlegt, die Zusammenstellung der soge-
nannten organischen Ergebnisse aus dem Webdatenbestand, die Integration von
Ergebnissen aus den anderen Informationsbeständen (Bilder, Videos, Nachrichten,
Bücher etc.), die Anfrageerweiterung, die Erzeugung von Suchvorschlägen sowie die
Auswahl der anzuzeigenden Werbung beeinflusst (vgl. Lewandowski 2011: 59f.).
43 | Ein Indiz hierfür ist, dass Röhle in seiner Analyse des Such-Interfaces von
Google keine Beispiele dafür anzugeben vermag. Wolfram Alpha (www.wolframalpha.
com) stellt in diesem Zusammenhang eine erwähnenswerte Ausnahme dar, da die
sogenannte Wissensmaschine die Interpretationen von Suchanfragen im Ergebnis-
Interface sichtbar macht. Hierdurch wird der Kontext offengelegt, für den die als
Ergebnis angezeigten Informationen zutreffend sind. Für mehrdeutige Anfragen
werden ggf. sogar verschiedene Interpretationsmöglichkeiten aufgeführt, aus denen
der Suchende auswählen kann.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242