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Phänomeno-Logik 317
fessor für Internationale Gesundheit und eine der schillerndsten Figuren im Feld
der Information Visualization, hin: »If the story in the numbers is told by a beautiful
and clever image, then everybody understands«.66 Visualisierungen sind demzufolge
nicht nur Mittel des Forschens oder Erkennens, sondern auch Ausdrucksmittel von
Erkenntnissen, die sich durch ihre leichte Verstehbarkeit und intuitive Nachvoll-
ziehbarkeit auszeichnen. Die Erkenntnisfunktion und die Kommunikationsfunk-
tion von Informationsvisualisierungen stehen jedoch in einem problematischen
Spannungsverhältnis zueinander, was im Folgenden dargelegt werden soll.
Einen wertvollen Ausgangspunkt eröffnet hierfür die Zeichentheorie von
Charles Sanders Peirce. Bereits im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert hat
Peirce das Erkenntnispotenzial von Visualisierungen erkannt und im Rahmen
seiner Zeichentheorie erörtert. Jedoch gebraucht Peirce (noch) nicht den Begriff
der Visualisierung; er spricht vielmehr von Diagrammen, die er neben Bildern und
Metaphern der Klasse der Bildzeichen zuordnet.67 Da die Begriffe des Diagramms
und der Informationsvisualisierung in aktuellen Debatten mitunter sehr heterogen
gebraucht werden, sollten diese nicht ohne Weiteres gleichgesetzt werden (vgl.
Wentz 2013: 202f.). Für die Auseinandersetzung mit Informationsvisualisierungen
wird es sich jedoch als fruchtbar erweisen, diese als einen Typus diagrammatischer
Darstellungsformen im Sinne von Peirce zu verstehen.
Die Besonderheit der Bildzeichen – d.h. von Bildern, Diagrammen und Meta-
phern – im Unterschied zu symbolischen und indexikalischen Zeichen ist nach
Ansicht von Peirce, dass man aus deren Betrachtung – oder zumindest aus der
Auseinandersetzung mit diesen – mehr Informationen über das Zeichenobjekt her-
ausfinden kann, als in die Konstruktion des Zeichens hineingeflossen sind: »For
a great distinguishing property of the icon is that by the direct observation of it
other truths concerning its object can be discovered than those which suffice to
determine its construction« (Peirce 1960: 2.279).68 Auf paradigmatische Weise
tritt dies an Diagrammen zutage, die im Unterschied zu Bildern und Metaphern
nicht Qualitäten von Objekten zur Darstellung bringen (Bilder) oder Ähnlichkeiten
zwischen Objekten herstellen (Metaphern), sondern Relationen zeigen. Diagramme
sind Zeichen, die Strukturen, Funktionslogiken und Ereignisfolgen anschaulich
machen. Ihre Besonderheit besteht darin, im Prozess der Veranschaulichung Mög-
lichkeiten zur Rekonfiguration der diagrammatischen Zeichenkonstellation zu
geben (vgl. Bauer/Ernst 2010: 46). Sie eröffnen ein Möglichkeitsfeld für Variationen,
66 | Dies artikuliert Rosling in der 2010 produzierten Dokumentation The Joy of
Stats (Hillmann 2010: 00:23:55).
67 | Die folgende Darstellung der peirceschen Diagrammatik orientiert sich an den
Rekonstruktionen von Frederik Stjernfelt (2000) sowie von Matthias Bauer und
Christoph Ernst (2010).
68 | Die Collected Papers von Peirce werden wie üblich in Dezimalnotation zitiert.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242