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was sie an und mit diesen folgern können und damit auch, welche Erkenntnisse sie
von diesen ableiten können.
Auf einen Begriffsvorschlag von Riemann rekurrierend, den sich auch Deleuze
zueigen macht, können Diagramme als Mannigfaltigkeiten begriffen werden, wel-
che eine dem »Vielen als solchem eigene Organisation« (Deleuze 1992a: 233) dar-
stellen. Durch seine Bestimmung des Begriffs der Mannigfaltigkeit hat Riemann
die Geometrie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom Kopf auf die Füße
gestellt. Hatte man bis dahin den Raum bei der Beschreibung geometrischer Objekte
als transzendentale Größe vorausgesetzt, macht sich Riemann dafür stark, Raum
als eine geometrischen Objekten immanente Größe zu begreifen. Riemann zufolge
können Objekte in Abgrenzung zur euklidischen Geometrie als Mannigfaltig-
keiten verstanden werden, die nicht in Relation auf einen sie umgebenden und
ihnen vorausgehenden Raum beschrieben werden. Geometrische Objekte werden
vielmehr auf die ihnen innewohnende Räumlichkeit hin befragt. Jede Mannigfaltig-
keit spannt demzufolge einen Raum auf und entfaltet dabei ihre eigenen Gesetz-
mäßigkeiten (vgl. Riemann 1990 [1854]).73
Diese Eigenschaft wohnt auch diagrammatischen Darstellungsformen inne,
die ihre Interpreten aus sich heraus auf eine Weltsicht festlegen, indem sie nur be-
stimmte Zusammenhänge, Relationen und Strukturen zur Darstellung bringen, an
denen zudem nur spezifische Schlussfolgerungen vollzogen werden können. Hierauf
hat Franco Moretti in Bezug auf die literaturwissenschaftliche Orientierung an Na-
tionalliteraturen hingewiesen, welche seines Erachtens auf einem Denken in Baum-
73 | Riemann stellt kritisch fest, dass Raum als einer der Grundbegriffe der Geo-
metrie noch nicht hinreichend geklärt sei. Für dieses Grundlagenproblem stellt
das Konzept der Mannigfaltigkeiten eine Lösung dar. Als Konsequenz erweist sich
der dreidimensionale euklidische Raum als kontingent, d.h. als möglicher Raum
unter einer Vielzahl möglicher Räume: »Bekanntlich setzt die Geometrie sowohl den
Begriff des Raumes, als die ersten Grundbegriffe für die Constructionen im Raume
als etwas Gegebenes voraus. Sie giebt von ihnen nur Nominaldefinitionen während
die wesentlichen Bestimmungen in Form von Axiomen auftreten. Das Verhältniss
dieser Voraussetzungen bleibt dabei im Dunkeln; man sieht weder ein, ob und in wie
weit ihre Verbindung nothwendig, noch apriori, ob sie möglich ist. Diese Dunkelheit
wurde auch von Euklid bis auf Legendre, um den berühmtesten neueren Bearbeiter
der Geometrie zu nennen, weder von den Mathematikern, noch von den Philosophen,
welche sich damit beschäftigten, gehoben. Es hatte dies seinen Grund wohl darin
dass der allgemeine Begriff mehrfach ausgedehnter Grössen unter welchem die
Raumgrössen enthalten sind, ganz unbearbeitet blieb. Ich habe mir daher zunächst
die Aufgabe gestellt, den Begriff einer mehrfach ausgedehnten Grösse aus allge-
meinen Grössenbegriffen zu construiren. Es wird daraus hervorgehen, dass eine
mehrfach ausgedehnte Grösse verschiedener Massverhältnisse fähig ist und der
Raum also nur einen besonderen Fall einer dreifach ausgedehnten Grösse bildet«
(Riemann 1990 [1854]: 304).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242