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Phänomeno-Logik 325
Verstärkt wird diese Suggestion selbstevidenter Bezeugung sowohl ästhetisch als
auch diskursiv. So weist Mersch kritisch darauf hin, dass Visualisierungen häufig
an referenzielle Bildformen, wie z.B. Fotografien »angeähnelt« (Mersch 2006c: 110)
werden. Auf der diskursiven Ebene wird der suggestive Selbstevidenzcharakter von
Visualisierungen wiederum durch den argumentativen Stellenwert zementiert, der
diesen zuerkannt wird.82 Hieran wird deutlich, dass das Erkunden von Informati-
onssammlungen mit Visualisierungen und die Präsentation von Zusammenhängen
in Visualisierungen in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Für die
Information Visualization erweist sich dies insofern als problematisch, als diese
gleichermaßen verspricht, Erkenntnis- und Kommunikationsmittel zu sein.
Das Potenzial von Visualisierungen, Orientierung im Vielen digitaler Informa-
tionssammlungen herstellen zu können, soll hierdurch nicht grundsätzlich infrage
gestellt werden. Vielmehr gilt es anzuerkennen, dass Informationsvisualisierungen
weder neutrale noch selbstevidente Mittel sind. Die Anordnung von Informationen
in diagrammatischen Strukturen entspringt nie aus der Datenbank selbst. Das
Diagramm bzw. der Diagrammtypus gibt ein Ordnungsmuster vor, nach dem
die Datenbankinformationen arrangiert werden. Dies ist stets zu bedenken. Ins-
besondere dann, wenn das Visuelle, wie Mersch herausstellt, nicht umhin kann, »als
[...] die Evidenz einer Wirklichkeit zu suggerieren« (Mersch 2005: 341).
Hieran wird erneut deutlich, dass sich an die unterschiedlichen, in diesem
Kapitel diskutierten medialen Praktiken mit Datenbanken verschiedene medien-
theoretische Fragestellungen anschließen. Die Datenbank als latente Infrastruktur,
das Auffinden des Einen in Informationssammlungen sowie die Auswertung des
Vielen stellen unterschiedliche Gebrauchsformen von digitalen Datenbanken dar,
die je eigene Phänomeno-Logiken entfalten, welche auf unterschiedliche Weise an
die bereits diskutierten Techno-Logiken der Herstellung computer-lesbarer Signi-
fikanz anschließen. Template, Dashboard, Query, Stream, Data Mining und Infor-
mation Visualization lassen sich mithin nicht zu einer einheitlichen Logik digitaler
Datenbanken zusammenführen. Sie wurden daher als heterogene mediale Prak-
tiken mit Datenbanken beschrieben, in denen sich je eigene Logiken, d.h. Mikrolo-
giken digitaler Datenbanken zeigen, an die verschiedene medientheoretische Pro-
blemkonstellationen anschließen.
82 | Kritisch auf diese Problematik hinweisend hat Julio Ottino 2003 in einem
Artikel in Nature gefragt: »Is a picture worth 1,000 words?« (474). Ottino zeigt
sich insbesondere gegenüber der von ihm beobachteten Zunahme von Bilder und
Visualisierungen in wissenschaftlichen Publikationen skeptisch. Seines Erachtens
stellen diese ein zu problematisierendes Ausdrucksmittel naturwissenschaftlicher
Forschungen dar, dessen Gebrauch unter Regeln zu stellen sei, um dem naturwissen-
schaftlichen Streben nach wohlbegründetem Wissen weiterhin gerecht werden zu
können.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242